Eine Brexit-Debatte folgt der nächsten - seit Wochen blickt die Welt auf das britische Unterhaus. Und staunt über manches. Die wichtigsten Regeln und Rituale - ein Überblick.
Welche Rolle hat der "Speaker" des Unterhauses?
Der "Speaker" oder Sprecher des Unterhauses ("House of Commons") nimmt Einfluss auf die von der Regierung festgelegte Tagesordnung der Parlamentssitzungen. Er gibt beispielsweise die Reihenfolge vor, in der die Abgeordneten sprechen dürfen. Per Definition ist der "Speaker" unparteiisch, wird vom Parlament bestimmt und nach der Wahl buchstäblich zu seinem Platz nach vorne gezogen, zu dem Sitz zwischen Regierung und Opposition. John Bercow ist seit 2009 der "Mr. Speaker" des Unterhauses, bekannt für seine geschickte Rhetorik und die lauten "Order"- Rufe nach Ruhe im Parlament. Er kann außerdem Abgeordnete unterbrechen, wenn sie sich etwa zu häufig wiederholen.
Weshalb stehen einige Abgeordnete manchmal auf?
Während der Sitzungen stehen Abgeordnete häufig auf, sobald ein Redebeitrag beendet ist. Es ist der Versuch, als nächstes die Aufmerksamkeit des Sprechers auf sich zu ziehen, wenn er ihren Redebeitrag noch nicht genehmigt hat und nennt sich "catching the speaker's eye". Die Genehmigung wird normalerweise vor der Sitzung erteilt, die Abgeordneten schreiben dazu einen förmlichen Brief an den Speaker und die Reihenfolge der Sprecher wird im sogenannten "Order Paper" festgehalten. Die Abgeordneten, die es nicht mehr in das "Order Paper" geschafft haben, oder aufgrund ihrer Position nicht automatisch Redezeit zugestanden bekommen, versuchen durch das Aufstehen trotzdem noch die Redeerlaubnis zu erhalten.
Wie erklärt sich die Sitzordnung?
Im britischen Unterhaus sitzt die Regierungspartei, derzeit die "Conservative Party", zur Rechten des Speakers. Ihr gegenüber durch den Gang zwischen den Sitzreihen getrennt sitzt die Opposition. In der ersten Bankreihe der Regierung sitzen die Premierministerin und ihre Minister, die sogenannten "Frontbenchers". Auf der anderen Seite sitzt das "Shadowcabinet" oder Schattenkabinett, also die Mitglieder der Opposition, deren Erfahrungsgebiet dem der Regierungsminister ihnen gegenüber entspricht.
Was bedeutet der Stab, der vor den Sitzungen ins Unterhaus getragen wird?
Vor den Sitzungen des Parlaments wird etwas in die Kammer getragen, das wie ein Zepter aussieht. Der Amtsstab, "Mace", repräsentiert die königliche Autorität. Während der Sitzungen des Unterhauses liegt er auf dem Tisch, während der Sitzungen im Oberhaus verbleibt er beim Sitz des Lordkanzlers. Ohne den Amtsstab darf das Parlament nicht tagen und keine Gesetze verabschieden.
Weshalb stehen einige Abgeordnete im Gang oder am Rand?
Es gibt 650 Abgeordnete, aber nur 427 Sitzplätze im Unterhaus. Nach der Zerstörung der Kammer im Zweiten Weltkrieg wurde sie auf Wunsch Winston Churchills wieder originalgetreu aufgebaut. Regierung und Opposition sitzen sich direkt gegenüber, um Debatten möglichst lebhaft zu halten. Die Anzahl der Abgeordneten hat sich außerdem in den letzten Jahren aufgrund von veränderten Wahlkreisgrenzen erhöht, sodass sich die Parlamentarier etwa während der wöchentlichen Fragestunde an die Premierministerin auf den Bänken drängen müssen. Häufig stehen einige Dutzend, für die kein Sitzplatz auf den grünen Bänken mehr frei ist, im Gang oder am Rand.
Wie läuft eine Abstimmung ab?
Wenn im Unterhaus abgestimmt wird, wird das Haus gebeten, sich zu "teilen" - die Abgeordneten verlassen die Kammer durch zwei Türen entsprechend ihrer bevorzugten Wahlmöglichkeit. "The Ayes to the right, the Noes to the left", befiehlt der Speaker. Die Befürworter eines Antrags (Ayes) benutzen den rechten Ausgang, die Gegner (Noes) den linken. Auf diese Weise ist die Abstimmung öffentlich sichtbar und die Abgeordneten müssen unmissverständlich ihre Meinung vertreten. Das Ergebnis der Abstimmung verkündet der Speaker anschließend mit "The Noes have it" oder "The Ayes have it".
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