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Retten wir das Klima durch Wachstum oder Verzicht?

Erst diese Woche haben sich die EU-Staaten dazu geeinigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Was vielversprechend klingt, bedarf jedoch einer konkreten Umsetzung. Unter dem Titel „Wachstum oder kein Wachstum?" diskutierten die Politökonomin Maja Göpel und der langjährige Böll-Chef Ralf Fücks gemeinsam mit Moderator Peter Unfried beim diesjährigen taz lab hitzig über die Zukunftsfragen der Gesellschaft.

Bis 2030 muss die EU gemäß ihrem geplanten Klimagesetz ihre Treibhausgasemissionen - ausgehend vom Niveau 1990 - um 55 Prozent senken. Manchen geht das nicht weit genug. „Wir sollten uns nicht zu sehr in Kämpfen verhaken, jetzt geht es an die Implementierung", sagte Göpel dazu. „Lasst uns selber zeigen, dass wir solche Ziele überholen können." Laut Fücks sei das Gesetz ein großer Sprung nach vorne und durchaus ambitioniert. „Das ist die Herausforderung, die wir brauchen, um die ökologische Transformation zu starten."

In den Detailfragen waren sich die Expert:innen jedoch uneinig. Während Göpel Klimaschutzmaßnahmen als Risikoreduktion sieht - und ihr diese Sicht in der deutschen Politik fehlt - ging Ralf Fücks noch einen Schritt weiter: „Es kommt nicht alleine auf Europa an. Die großen Wachstumsschübe werden in Asien und Afrika passieren."

Doch auch Unternehmen müsse man stärker in die Pflicht nehmen. Göpel wünschte sich mehr Innovationskraft von europäischen Firmen, um die technologische Vorreiter:innenrolle zu festigen. „Die Industrie ist der Politik sogar voraus, weil die meisten verstanden haben, dass die Zukunft entweder grün ist - oder sie keine Zukunft haben werden", entgegnete Fücks. Die Frage sei eher, ob die Politik ihre Hausausgaben machen werde. Wichtig sei jedoch, so Göpel, auch die sozialen Aspekte nicht außer Acht zu lassen. Nicht eine Industrie 4.0, sondern soziale Innovationen sollten gefragt sein, erklärte sie.

Mit jeder Minute gingen die Meinungen weiter auseinander - die Stimmung wurde hitziger. So diskutierten die Expert:innen über die Rolle der Reduktion. Laut Fücks sei diese in bestimmten Bereichen - etwa dem Fleischkonsum - wichtig. „In den anderen Bereichen wie Wohnen und Mobilität geht es aber ums ‚anders' und ‚besser'", sagte Fücks. „Mit welcher Legitimation ist das so?", fragte Göpel. So müsse man auch hier über Suffizienz reden, dem Einsparen von Energie und Material.

Daraufhin kritisierte Fücks, die Deutschen wollten die Welt retten, während sie aber auf dem Weg in die Hypermoderne sei. „Wir haben in Deutschland nicht die Definitionsmacht darüber, was globaler Fortschritt heißt." Göpel bemängelte, dass die Marktwirtschaft derzeit ziemlich ausgebremst sei. Und merkte an, dass Dynamik nicht nur eine Richtung gehen und nicht nur beschleunigen dürfe. Finanzen und Technologien seien im Zweifel lediglich Instrumente.

Zum Schluss fragte Moderator Unfried, inwieweit die Klimafrage die Wahlen beeinflussen werde. Während Fücks für lagerübergreifende Allianzen in Gesellschaft und Wirtschaft plädierte, gewährte Göpel Einblicke in Hintergrundgespräche. Diese seien eindeutig: „Wir müssen die Dinge anders machen."

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