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KI: Wenn Maschinen bestimmen, was wir Menschen denken

Computer unterstützen Ärzte bei Krebsdiagnosen, Programme filtern personalisierte Kaufangebote und Smartphones kennen den Text schon bevor der Mensch ihn getippt hat. Maschinen werden immer intelligenter – und bestimmen den Alltag der Menschen.


Ein tägliches Szenario in Krankenhäusern ist die Visite des Arztes. Er begutachtet seine Patienten, stellt Diagnosen und schlägt Therapiemaßnahmen vor. Doch etwas an dieser Situation ist anders: An der Seite des Arztes ist Watson. Watson ist kein Assistenzarzt oder eine Krankenschwester - sondern ein Computer. Oder besser gesagt eine intelligente Maschine, die dem Arzt helfen soll, die richtigen Diagnosen zu stellen.


Was nach der Science-Fiction-Serie Startrek klingt, ist bereits Realität. Zwar wird Watson noch nicht im laufenden Krankenhausbetrieb eingesetzt, doch sein Entwickler, der amerikanische IT-Dienstleister IBM, setzt alles daran, dass dies bald passiert. „Ein System wie Watson kann als ärztlicher Assistent agieren", erklärt Manoj Saxena, Manager des IBM-Watson-Projekts, auf der DLD-Konferenz in München. Denn Watson habe einen entscheidenden Vorteil: Kein Arzt könne alle medizinischen Fachmagazine lesen, sich ständig auf den neuesten wissenschaftlichen Stand bringen und alle Therapieansätze kennen. „Watson dagegen kann das und vereinigt all diese Informationen in sich."


Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch

Watson ist nur ein Beispiel für künstlich intelligente Systeme, die in Zukunft den Alltag der Menschen mitbestimmen sollen - oder es bereits tun. Einer, der künstliche Intelligenz längst im Alltag vieler Menschen platziert hat, ist Ben Medlock, Mitentwickler von Swiftkey. Die Software zur intelligenten Spracherkennung war in den vergangenen zwei Jahren die am besten verkaufte App und ist mittlerweile auf hundert Millionen mobilen Geräten vorinstalliert.


"Mit Swiftkey haben wir eine Software entwickelt, die noch besser voraussagen kann, was du als nächstes sagen möchtest, als du selbst", sagt Ben Medlock etwas frech. Aber ganz Unrecht hat er nicht. Das intelligente Keyboard lernt von seinem Nutzer und passt sich seiner Wortwahl an. Sogar Emoticons soll die Software nach einer bestimmten Zeit vorhersagen.

Künstlich intelligente Maschinen haben gegenüber den Menschen einen entscheidenden Vorteil: Im Vergleich zum menschlichen Gehirn können sie große Datenmengen speichern, analysieren und abrufen wann sie es möchten. Unser Gehirn dagegen filtert viele Informationen, sodass sie uns nicht ständig zur Verfügung stehen.


Daten als Quelle für künstliche Intelligenz

Die Welt wird immer vernetzter und genau das erleichtert es Programmen und Maschinen, Vorhersagen in den verschiedensten Bereichen zu treffen. Die Daten stehen ihnen überall zur Verfügung: Sei es aus Sozialen Netzwerken, veröffentlichten Bildern oder digitalen Gesundheitsdaten tragbarer Sensoren.


Auch Amazon macht sich die allgegenwärtigen Datenströme für sein Geschäftsmodell zu Nutze und ist damit über alle Maßen erfolgreich. Allein in Deutschland beherrscht der Onlinehändler aus Seattle fast ein Fünftel des Versandhandels. Rund 6,8 Millionen Euro geben die Deutschen bei Amazon aus.


E-Commerce lautet das offene Geheimnis von Amazon. Intelligente Software sammelt alle Kaufdaten der Amazon-Kunden und präsentiert ihnen personalisierte Angebote. Doch das ist schon fast ein alter Hut, deshalb will Amazon nun die nächste Stufe einläuten: Noch bevor ein Kunde überhaupt den Button "Kaufen" anklickt, soll die für ihn passende Ware schon auf dem Weg zu seiner Wohnung sein.


Wie funktioniert dieser „vorausschauende Versand“ (anticipatory shipping), auf den Amazon gerade erst ein Patent erworben hat? Ein System soll frühere Bestellungen, Umtäusche, Wunschzettel und den Inhalt der Einkaufswagen auswerten. In diese Analysen fließt sogar mit ein, wie lange ein Kunde mit dem Mauszeiger auf einer Produktbeschreibung verweilt. Daraus ermittelt die intelligente Software bestimmte Waren, die Amazon schon einmal an ein Versandzentrum schicken kann, in dessen Nähe sich Kunden höchstwahrscheinlich für dieses Produkt interessieren. Bestellt der Kunde es dann tatsächlich, ist es umso schneller beim Empfänger. „Unsere intelligenten Systeme entwickeln sich ständig weiter“, betont Werner Vogels, Technologievorstand bei Amazon. „So können wir immer besser Vorhersagen über Kaufentscheidungen unserer Kunden treffen.“


Mensch gegen Maschine?

Die künstliche Intelligenz steht gerade erst am Anfang ihrer Entwicklung. Kann sie irgendwann eine Gefahr für den Menschen darstellen? Manoj Saxena (IBM), Werner Vogels (Amazon) und Ben Medlock (Swiftkey) sind sich einig, dass künstliche Intelligenz für und nicht gegen den Menschen arbeitet – als Analyst für Unternehmen wie Amazon oder als Assistent wie Watson im Gesundheitsbereich.


Diese Maschinen ziehen all ihre Informationen aus großen, zum Teil auch privaten Datenmengen. Spielt Datensicherheit bald also überhaupt keine Rolle mehr? Die Frage kann Ben Medlock (Swiftkey) auf der DLD 2014 nicht eindeutig beantworten. „Wenn wir intelligente Maschinen wollen, dann funktioniert das nur mit möglichst vielen Daten.“ Mit Innovation gehe deshalb auch immer ein Kompromiss einher. Welcher das sein wird, muss sich für künstlich intelligente Produkte in den nächsten Jahren wohl erst noch herauskristallisieren.


Die Verantwortung für künstlich intelligente Maschinen liege immer noch beim Menschen selbst, betont der IBM-Manager Saxena: „Am Ende des Tages trifft nicht Watson die Entscheidung für ärztliche Diagnosen. Das obliegt dem Arzt ganz allein." Im Rahmen von Pilotstudien testete IBM das System Watson bislang für Vorhersagen über die Wahl des richtigen Arzneimittels. Die IBM-Entwickler wollen ihn aber auch in anderen Bereichen einsetzen: zur Vorhersage von Zutaten-Kombinationen für Kochrezepte etwa. Oder um zu prognostizieren, welche Bauteile von Industriemaschinen vorzeitig ausfallen könnten und deshalb gewartet werden sollten.


Eine Sache steht auf jeden Fall fest: Watson soll eigenständig Informationen aus Daten gewinnen, daraus seine Schlüsse ziehen und sich den kognitiven Fähigkeiten des Menschen immer weiter annähern.

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