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„Und dann hat es geklappt“

Der 29 Jahre alte Husan Kalil hat es geschafft: Er begann am 1. August eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement bei der »MigrantInnenSelbstOrganisation« (MiSO) in Hannover. (Foto: dpa)

von Kristina Wienand, dpa 


Freundlich lächelnd hält Husan Kalil die Tür zu den Räumen des Dachverbands "MigrantInnenSelbstOrganisation" (MiSO) in Hannover offen. Der 29-jährige Syrer hatte vor gut einer Woche seinen ersten Arbeitstag als Azubi im Büromanagement. Seitdem sitzt er an drei Tagen pro Woche in dem Büro im vierten Stock eines Gebäudes mitten in einem Industriegebiet Hannovers und organisiert den Alltag des Vereins. Zwei Tage büffelt er jeweils in der Berufsschule. Den Job beim MiSO-Netzwerk hätte der Syrer vermutlich nicht bekommen, wenn eine Vorrangprüfung für die Stelle hätte stattfinden müssen.


Die Vorrangprüfung ist vor einem Jahr deutschlandweit in 133 von 156 Bezirken der Bundesagentur für Arbeit für drei Jahre ausgesetzt worden. Seit dem 6. August 2016 müssen Firmen nicht mehr nachweisen, dass sie keinen Deutschen für den Job finden, den sie an einen Flüchtling vergeben wollen. In einigen Branchen, wie der Gastronomie oder dem Bäckerhandwerk, hatte die Prüfung Unternehmerverbänden zufolge keine große Relevanz, weil diese Jobs nicht so beliebt sind. Anders im Bereich Büro: "Bürokaufmann ist ein begehrter Ausbildungsberuf. Unsere Ausschreibung der beiden Lehrstellen wäre mit Vorrangprüfung ein Problem gewesen", erklärt MiSO-Mitarbeiter Wolfgang Hellwig.


Doch diese Prüfung durch die Behörden wurde ausgesetzt, und Kalil arbeitet nun seit dem 1. August beim MiSO. Seine Ausbildungskollegin ist gebürtige Nepalesin. "Wir wollten Bewerber mit einem Fluchthintergrund ansprechen", sagt Hellwig. Gleichzeitig müssten die inhaltlichen Standards passen, betont der Sozialpädagoge. Es sei seine erste Bewerbung für einen Ausbildungsplatz gewesen. In Aleppo, wo ganze Stadtviertel durch den Syrien-Krieg zerstört wurden, hatte der Kurde drei Jahre lang Finanzwesen und Buchhaltung studiert. Bis zu dem Tag, an dem er wegen politischer Aktivitäten festgenommen wurde. Sein Studium fortzusetzen, wurde ihm verboten. 


2013 nach Deutschland gekommen, besuchte Kalil einen Integrationskurs in der Region Hannover, begann später in einem Versandlager zu arbeiten. Jetzt beschäftigt er sich mit der Koordination von Terminen und erstellt Tabellen. Kalils Gehalt bezahlt die Stadt Hannover. Für Ausbildungsinhalte und -vermittlung ist der Verein MiSO zuständig.


Die Qualifikation und Motivation von Bewerbern spielen aus Sicht der Betriebe eine wichtige Rolle bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen. So sieht es auch die Firma Mätschke in Hildesheim. Anja Treumann aus der Personalabteilung des Malerbetriebs sagt klar: "Es ist ganz schwierig, im Handwerk Mitarbeiter zu finden, die motiviert und zuverlässig sind und sehr gut arbeiten." Ziel sei immer, den besten Bewerber zu finden und ihm eine Ausbildung anzubieten.


Bei Mätschke haben in diesem Sommer drei Lehrlinge angefangen - einer von ihnen ist der 18-jährige Ahmed Hussani. Der Afghane darf während seiner dreijährigen Ausbildung zum Maler und Lackierer in Deutschland bleiben. Mit Vorrangprüfung hätte seine Einstellung womöglich auf der Kippe gestanden. Das wäre für den Betrieb ein Verlust gewesen. "Er ist handwerklich geschickt, sehr lernwillig und außerdem total motiviert", lobt ihn die Personalerin. Während der vergangenen zwölf Monate haben in Niedersachsen 400 Flüchtlinge eine Lehre angefangen. Etwa Autowerkstätten haben der Handwerkskammer Hannover zufolge unter den Zuwanderern fähige Azubis gefunden. 


Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Asylherkunftsländern stieg schon kurz nach dem Wegfall der Vorrangprüfung nach BA-Angaben - von Juni bis September 2016 - bundesweit von rund 102 000 auf 120 000. Ein Erfolgsfaktor ist auch das erworbene Sprachniveau der Flüchtlinge. Husan Kalil hat einen anspruchsvollen Sprachkurs an der Universität besucht. Nun spricht er Deutsch auf dem Niveau C1.

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