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Ein Entbindungshelfer erzählt: "Die erste Geburt war ein Schock"

Milco Messina ist einer von sechs männlichen Entbindungshelfern in Deutschland. Der Italiener fühlt sich wohl in dieser Frauendomäne, obwohl die erste Geburt, die er miterlebte, ganz anders war, als gedacht.


Ein energisches Schreien ist aus Zimmer A117 zu hören. Kurz darauf öffnet Milco Messina die Tür, schiebt eines der durchsichtigen Babybettchen aus dem Raum heraus. Vorsichtig nimmt die männliche Hebamme den einen Tag alten Säugling aus dem Bettchen, streicht ihm über die Wange. Matien Laalou wird ruhig. "Ich liebe Kinder", sagt der 30-jährige Entbindungshelfer. Er habe wirklich ein Händchen für die Babys, sagen auch seine Kolleginnen auf der Wochenbettstation im Krankenhaus Diakovere Henriettenstift im niedersächsischen Hannover. Dort arbeitet der Sizilianer seit fast genau einem Jahr.

Skeptisch hätten viele Schwangere und Mütter am Anfang reagiert. "Und das können Sie auch?", fragten ein paar Patientinnen zum Beispiel irritiert, wenn er Tipps zum Stillen gab. 


Doch die meisten Frauen legten ihre anfängliche Skepsis schnell ab. Milco Messina ist einer von bundesweit sechs männlichen Entbindungshelfern, die beim Deutschen Hebammenverband Mitglied sind. Insgesamt arbeiteten nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2015 in den Krankenhäusern in Deutschland 10.919 Hebammen und Entbindungshelfer. Männer sind in dem Berufsfeld nach wie vor eine Ausnahme: So gab es in den Kliniken 2015 nur vier Entbindungshelfer.


In Italien ist das normal

"In Italien ist es normal, dass Männer als Entbindungshelfer arbeiten, so wie es auch männliche Frauenärzte gibt", sagt Messina, der in Palermo auf Sizilien studierte. Pro Klinik seien es ein bis zwei. In Italien führt ein Studium, in Deutschland eine Ausbildung zum Beruf der Hebamme. Mittlerweile gibt es hierzulande auch einige wenige Studiengänge. Messinas Abschluss wurde anerkannt.


"Die erste Geburt war ein Schock", erinnert sich Messina an seine ersten Berufsjahre zurück. Das Kind war am Anfang ganz blau, sagt der Italiener. Das sei zwar normal, aber beim ersten Mal erschreckend. Vor allem im Kreißsaal sind er und seine Kolleginnen gefordert: Jede Situation sei verschieden und schnell könne sich schlagartig etwas ändern.


Milco will wieder dabei sein

Der Kreißsaal fehlt ihm bei seiner Arbeit in Hannover. Bisher ist er nur auf der Wochenstation eingesetzt, aber nicht im Kreißsaal. Dafür habe er jetzt viel mehr als in Italien mit den Neugeborenen zu tun. "Total rührend und bemerkenswert finde ich das", reagiert die frisch gebackene Mutter Diana, als sie auf den Entbindungshelfer angesprochen wird.


Sie selbst ist Muslima und wünschte sich bei der Geburt ihres Kindes weibliche Gynäkologen und Hebammen. Trotzdem finde sie gut, dass auch Männer den Beruf ausüben. Messina steckt im Untersuchungsraum behutsam seinen mit einem Handschuh überzogenen kleinen Finger in das Mündchen des Babys. Sofort beginnt der Säugling, daran zu saugen. "Das klappt immer. Das macht die Kinder ruhig", sagt Messina und lächelt dabei. Saugtraining nennen Hebammen das.


Neben der Beratung kümmern sich der Italiener und seine Kolleginnen um das tägliche Wiegen und Messen der Kinder und beraten die Mütter zum Beispiel beim Stillen. Im Sommer wird Messina auf Sizilien seine langjährige Freundin heiraten. Er habe ihr gesagt: "Bei der Geburt bleibe ich die ganze Zeit an deiner Seite, aber ich werde nicht dein Entbindungshelfer." Schließlich weiß Messina um die Flüche, Schreie und Schläge im Kreißsaal. Und in Italien habe er während Geburten schon "viele Väter vom Boden aufgelesen", weil sie so sehr unter Schock standen.

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