Im Leben eines Mannes gibt es viele Straßen und viele Winter, außer er wird schon früh von einem dahingerafft oder in einer Schlacht verwundet oder von einem Diesellastwagen überrollt oder stirbt an den Folgen einer ordentlichen Geschlechtskrankheit. Heute sterben Männer nicht mehr an Schlachten oder Geschlechtskrankheiten, schon gar nicht an Wintern, sie sprengen sich in die Luft oder kommen ins Altenheim, Sabbern sich ums Leben, oder stürzen einfach mit dem Flugzeug ab oder werden auf offener Straße, lautlos, von einem Elektroauto überfahren. Keiner gesehen. Manche schreiben auch Abschiedsbriefe auf ihren Notebooks, und knallen sich dann ab, weil sie zu feige sind, sich nicht abzuknallen oder mit ihren Frauen zu reden oder ihre Erektionsprobleme, mit der Hand, mal auf ein ehrliches Blatt Papier zu schreiben. Etwas Handgeschriebenes ist doch immer etwas sehr Nobles und etwas sehr Endgültiges, aus dem es kein Zurück, kein Kopieren, kein Einfügen mehr gibt. Es steht dann so da und es ist es sehr schwierig und sehr gesund mit der Hand zu schreiben, weil die Gedanken direkt vom Gehirn aufs Papier fließen können, noch bevor sie geschliffen sind und man sich fragt, ob allen klar ist, dass das hier kein Abschiedsbrief, sondern eine schöne Geschichte ist, in dem das menschliche Gefühl dem ästhetischen System eben weit voraus ist. Man kann nicht einfach so vor sich hin tippen und weglöschen, bis man endlich aufhört, weg zu löschen und zu denken und zu schreiben beginnt. Man kann auch nicht ohne weiteres eine Sicherheitskopie davon machen oder das Geschriebene irgendwo ablegen, wo keiner drankommt, weil man überall drankommt und alles abfackeln oder verloren gehen kann. Das macht es aufregend und in jenem Winter gab es für mich eine Straße, die so aufregend und endgültig war, dass sie mit der Hand geschrieben werden musste.
C-Heads Magazine Issue #36
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