SENDETERMIN Mi, 8.11.2017 | 8:30 Uhr | SWR2
Von Klaus Martin Höfer Bei Anschlägen oder schweren Unfällen gibt es viele Verletzte auf einmal, die notärztlich versorgt werden müssen. Die Organisation solcher Rettungseinsätze ist eine Herausforderung. Katastrophenübung in KlinikenBei dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 waren die umliegenden Krankenhäuser auf die Behandlung von vielen Verletzten vorbereitet. Nur einige Monate vorher hatte es dort nämlich eine Übung gegeben, bei denen nicht nur Rettungskräfte die Bewältigung eines solchen Massenanfalls an Verletzten geübt hatte, sondern auch Ärzte und Pfleger in Krankenhäusern: Dort wurde innerhalb kurzer Zeit Personal alarmiert, um zusätzliche Operationssäle vorzubereiten.
Als dann der Ernstfall eintrat, wussten alle, was zu tun ist, wer welche Aufgaben übernimmt, wie die Lage koordiniert werden muss. Fachleute gehen von 50.000 Euro oder mehr aus, die eine solche äußerst realistische Übung ein Krankenhaus kostet. Das zahlen die wenigsten Kliniken freiwillig, die meisten haben deswegen auch noch nie eine Katastrophenübung durchgeführt.
Seminar für Terror-und Katastrophen-ChirurgieAuch die Verletzungen mit denen Patienten beispielsweise nach einem Terroranschlag mit einer Bombe davontragen oder Schussverletzungen, unterscheiden sich von anderen zivilen Verletzungen. Auch darauf müssen sich Notfallmediziner und Krankenhäuser stärker vorbereiten. Das Universitätsklinikum Frankfurt am Main hat aus diesem Grund erfahrene Notärzte zu einem Seminar geladen, in dem ein Szenario wie ein Bombenanschlag durchgespielt wird. In einer Art Brettspiel müssen die Ärzte entscheiden, was sie mit den verletzten Menschen machen, welche Untersuchungen, welche Behandlungen anstehen. Und wer zuerst drankommt. Entscheidungen zu treffen, auch wenn es um Leben und Tod geht, sind sie gewohnt, das gehört zu ihrem Berufsalltag.
„Terror-MANV"Doch bei dieser Übung kommt noch eine andere Komponente hinzu: Es geht um Verletze nach einem Anschlag. Fachleute nennen das „Terror-MANV" - ein Massenanfall an Verletzen, verursacht durch eine Terror-Attacke, mit Verletzungen verursacht durch Granaten oder Bomben. Dabei werden die Opfer nicht nur durch die eigentliche Detonation verletzt. Auch die Druckwelle kann zu heftigen inneren Verletzungen führen, die die Rettungskräfte auf den ersten Blick nicht erkennen, weil sie für solche Szenarien nicht geschult sind. Professor Benedikt Friemert vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm möchte das ändern und hat deshalb den Fortbildungskurs zusammengestellt.
Opfer kommen selbst in die KlinikEr ist der Ansicht, dass Notaufnahmen sich anders organisieren müssen, um bei möglichen Anschlägen vorbereitet zu sein. Denn anders als bei zivilen Ereignissen, bei denen der Rettungsdienst zu den Patienten hinfährt, kommen bei Anschlägen viele Opfer selbst in die Klinik, gebracht von Taxifahrern oder Freunden, so die Erfahrung aus anderen Ländern. Die Ärzte in der Notaufnahme müssen in solchen Fällen direkt in der Notaufnahme sichten, ähnlich wie der Notarzt an einem Notfallort, welche Patienten mit welcher Dringlichkeit behandelt werden müssen. Dazu müssen in den Kliniken spontan die Aufnahmeteams umorganisiert werden können, fordert Oberstarzt Benedikt Friemert. Übliche Verfahren müssten sich dem Ziel unterordnen, das Leben der Patienten durch Not-OPs zu retten.
Vom Chaos zur Ordnung kommenUnd dann sei da noch die Gefahr eines „second hits", bei dem sich Attentäter eine Notaufnahmeklinik als weiteres Ziel nach einem Anschlag aussuchten. Die Kliniken müssten sich also auch darum kümmern, ihre eigene Sicherheit herzustellen und beispielsweise organisatorische Maßnahmen, wie einen Schließplan für Türen, zu entwickeln. Vom Chaos zur Ordnung kommen und beherrschbare Strukturen herstellen - das ist die Herausforderung bei Großschadensereignissen, egal ob Unfälle, Naturkatastrophen oder Anschläge, egal ob am Notfallort oder in der Notaufnahme. Für die Einsatzkräfte draußen wurden bewährte Einsatzpläne aufgestellt und Übungen durchgeführt, Krankenhäuser und Notaufnahmen selbst haben da noch einiges vor sich.
SWR2 Wissen. Von Klaus Martin Höfer. Onlinefassung: Marie-Claire Schneider & Ralf Kölbel
Stand: 17.1.2018, 13.09 Uhr