Seit einem Jahr lebt die syrische Autorin Rabab Haider in Deutschland. Im Literarischen Salon hat sie mit Moderatorin Annika Reich über Schreiben unter schwierigen Bedingungen gesprochen.
Rabab Haider liest nicht, Rabab Haider erlebt. Mit einer Hand hält sie ihren Text, mit der anderen performt sie. Ballt eine Faust, zeigt hinter sich oder streicht sich energisch ihre langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht. Ihre weiche Stimme ist melodisch, tief und eindringlich.
2012 hat Rabab Haider ihren ersten Roman veröffentlicht, gerade schreibt sie an ihrem dritten. Sie ist Übersetzerin, gibt Schreibworkshops und schreibt Kolumnen, etwa für die „Zeit“. Seit knapp einem Jahr lebt die Syrerin in Deutschland, Deutsch spricht sie noch nicht. Ihre Antworten auf dem Podium des Literarischen Salons der Leibniz Universität übersetzt Günter Orth.
Mit ihr auf dem Podium sitzt Annika Reich. 2017 hat sie das Portal „weiterschreiben.jetzt“ gegründet, um Autoren und Autorinnen in Krisengebieten das Arbeiten zu ermöglichen. Im Tandem mit deutschen Autoren und Autorinnen wird so ein immaterieller, digitaler Schutzraum geschaffen. Rabab Haider ist eine von ihnen. Ihre Tandempartnerin, Autorin Ulla Lenze, ist krank – eigentlich sollte auch sie heute Fragen stellen.
Keine Revolution für Feiglinge
In ihren Geschichten zeigt Haider den Alltag im Bürgerkrieg. Sie heißen „Es geht mir gut“ oder „Ein Kriegsbericht, der nicht traurig sein soll“. Haider beschreibt darin Gewalt in der Familie, Repression und die bedrückende Gleichzeitigkeit von Brutalität und Stabilität traditioneller Geschlechterstereotypen – ohne explizit zu werten. „Die Aufgabe der Literatur ist nicht nur Kunst, sondern auch Dokumentation“, sagt sie.
Dass es oft Kinder sind, aus deren Perspektive sie erzählt, kommt einem politischen Statement gleich. Denn die seien ein Spiegel dessen was passiert, aber würden von den Mächtigen nicht wahrgenommen werden. „Ich möchte die zu Wort kommen lassen, die nicht gehört werden“, sagt Haider.
Und dafür braucht die Autorin vor allem eins: Mut. Der syrischen Regierung waren ihre Texte schnell zu unbequem. Die Autorin bekam Schreibverbot und musste schließlich fliehen. Angst habe sie aber keine, wenn sie schreibt. „Wir haben eine Revolution für die Würde des Menschen gemacht – nicht für die Furcht“, sagt sie. „Ich bin gegen Töten, ich bin gegen diesen Schmutz im Menschen. Und das muss man auch sagen, sonst wird man zu einem Lügner oder Feigling“.
Auf welcher Seite steht das Lektorat?
Und auch, wenn die syrische und die deutsche Kultur unterschiedlich sind, wird klar, was beide miteinander verbindet: „Deutschland hat Kriege erlebt, Syrien erlebt jetzt einen. Die Dinge über die wir schreiben, wie wir Krieg erleben, sind gleich. Wir sind alle Menschen“, sagt Haider.
Was anders ist, wird an einer Anekdote von Annika Reich deutlich: Als die Autoren und Autorinnen von „weiterschreiben.jetzt“ Anmerkungen zu ihren Texten bekamen, waren sie entrüstet. „Woher soll ich denn wissen auf welcher Seite das Lektorat steht?“, fragten einige. Reichs Reaktion darauf: „Ja, was denn für Seiten?“. Soziale Ungleichheit zeigt sich eben auch an der Selbstverständlichkeit der eigenen Privilegien.
Am 23. September spricht Christoph Lieben-Seutter, der Intentant der Elbphilharmonie, im Literarischen Salon mit Joachim Otte darüber, ob sich der Zugang zu klassischer Musik durch die Elbphilharmonie verändert. Mehr Termine gibt’s hier.
Von Kira von der Brelie
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