Trotz des Demonstrationsverbotes, welches die Stadt London gegen die Proteste der Klima- und Umweltschutzgruppe „Extinction Rebellion" erlassen hat, kommt es zu weiteren Aktionen. Inzwischen tobt in den sozialen Medien eine heftige Kontroverse über die Methoden der Umweltaktivisten, wegen einer Aktion am Donnerstag. Dabei kam es im Londoner Stadtteil Canning Town zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Pendlern und Klimaaktivisten, als diese zur Hauptverkehrszeit den U-Bahn-Verkehr mit einer Protestaktion zum Erliegen brachten. Auch an den Stationen Shadwell und Startford kam es zu Zwischenfällen. Nach Angaben der Polizei waren aufgrund der Vorfälle acht Personen festgenommen worden.
Ein Video des Vorfalls in Canning Town, welches sich auf Twitter verbreitete, zeigt, wie zwei Aktivisten auf das Dach der in der Station stehenden Bahn klettern, um dort ein Transparent auszubreiten, auf dem steht „Business as usual = Death" (etwa: „Weitermachen wie gewohnt =Tod"). Aufgebrachte Pendler pfeifen und bewerfen die Protestler mit Essen. Auf dem vollen Bahnsteig entsteht Gerangel.
Dann ist zu sehen, wie ein weiterer Mann auf den Zug klettert, nach einem der Demonstranten greift und ihn in die Menge hinabzieht. Der Demonstrant versucht, sich mit einem Tritt zu verteidigen. Die am Bahnsteig stehenden Menschen jubeln, als der Mann von der Bahn gezogen wird. Einige U-Bahn-Passagiere treten anschließend auf den am Boden liegenden Aktivisten ein. Mitarbeiter der Londoner U-Bahn versuchen den Aktivisten vor weiteren Angriffen zu schützen.
Wie der „Guardian" berichtet, kam es auch im Ostlondoner Stadtteil Shadwell zu Blockaden im Bahnverkehr. Dort seien mehrere Demonstranten auf einen Zug geklettert, mindestens einer habe sich an einer der Zugtüren festgeklebt. Der 83 Jahre alte "Extinction Rebellion"-Aktivist, Phil Kingston, der seine Hand an die Seite des Zugwagens geklebt hat, sagte gegenüber der Tageszeitung, er tue es für seine Enkelkinder und seines christlichen Glaubens wegen: „Ich bin sehr besorgt darüber, was in den ärmeren Teilen der Welt passiert, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind."
Die Aktion polarisiert. Auf Twitter äußern sich viele Nutzer ablehnend gegenüber den Zwischenfällen an den U-Bahn-Stationen: Das Thema sei wichtig, aber der Protest treffe in diesem Fall die Falschen, liest es sich dort. Es sei genau richtig gewesen, die Demonstrationen zu stoppen, heißt es in einem Kommentar mit mehr als 3000 Likes: „Die Aktion trifft nicht die großen Konzerne, sondern Familien mit niedrigem Einkommen der Arbeiterklasse. Das ist entsetzlich egoistisch." Der Ostlondoner Stadtteil Canning Town gehört zu den am stärksten benachteiligten Gebieten in England. Viele Langzeitbewohner leiden unter schlechter Gesundheit, geringer Bildung und Armut.
Auch Londons Bürgermeister Sadiq Kahn sagte gegenüber „Sky News", er verurteile diese Art des Protests nachdrücklich. Die Aktion sei äußert gefährlich und kontraproduktiv gewesen, da sie den öffentlichen Verkehr behindere. Er forderte die Demonstranten zu friedlichen Protesten innerhalb des Gesetztes auf.
Doch auch die Protestgruppe selbst spaltet sich an den Aktionen. In einer Erklärung teilte die Gruppierung mit, sie wisse um die Kontroverse der Zwischenfälle, sie sei auch in den eigenen Reihen umstritten gewesen. Zu den Beteiligten gehörten demnach ein Großvater, ein ehemaliger buddhistischer Lehrer, ein Pfarrer und ein ehemaliger Allgemeinmediziner. Das Vorgehen sei von ihnen autonom geplant worden. „Angesichts der heutigen Ereignisse wird Extinction Rebellion nach Wegen suchen, Menschen zusammenzubringen, statt eine unnötige Spaltung zu schaffen", hieß es in der Stellungnahme. Später folge noch eine Entschuldigung über den Facebook-Account der Gruppe.
Dennoch kam es am Freitag und Samstag zu weiteren Protestaktionen der Umweltbewegung im Londoner Innenstadtbereich. Trotz des Anfang der Woche erlassenen Demonstrationsverbotes legten Aktivisten abermals einen zentralen Platz in London lahm. Mit Holzstangen blockierten sie den Oxford Circus, der Verkehr kam zum Erliegen.
„Extinction Rebellion" ist eine Umweltschutzbewegung, die nach eigenen Angaben, Maßnahmen der Regierung gegen die Klimakrise und das Artensterben durch zivilen Ungehorsam erzwingen will.
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