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Erotisch und neurotisch: 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen

Wenn in gut vier Wochen der 50. Geburtstag der offiziellen deutsch-israelischen Beziehungen gefeiert wird, wird viel von Moral und Verantwortung gesprochen werden - und von einer Erfolgsgeschichte. Denn was damals, am 12. Mai 1965, kaum jemand geglaubt hatte, ist heute Wirklichkeit. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind so gut wie nie: Unter jungen Israelis ist Berlin der neue Sehnsuchtsort. Rund 15.000 von ihnen leben mittlerweile in der deutschen Hauptstadt. Eine von ihnen ist die Theaterregisseurin Yael Ronen, die am Gorki-Theater arbeitet.


"Berlin ist heute das, was New York vor 15 Jahren war: International, weltoffen, sehr billig und es bietet dir alles, was du als junger Mensch brauchst. Berlin gibt viel Geld für Kunst aus, das zieht Leute aus der ganzen Welt an. Als ich das erste Mal nach Berlin kam und plötzlich vor einer großen Gedenktafel für die deportierten Juden stand, dachte ich noch: Mein Gott, verfolgt mich diese Geschichte überall in dieser Stadt? Heute nehme ich diese ganzen Symbole kaum noch wahr, die Stolpersteine oder das Holocaust-Mahnmal."

Mittlerweile kann man an jedem Wochenende in Tel Aviv zu Techno aus Berlin tanzen, Deutsche DJs und Bands wie zum Beispiel Modeselektor ziehen in israelischen Clubs unzählige Fans an. Während der vergangenen Fußballweltmeisterschaft gab es ein deutsches Public Viewing am Strand von Tel Aviv - und Israelis, die aus voller Kehle die deutsche Nationalhymne sangen.


Israel: gehypt und gehasst von den Deutschen

Auch andersherum steht die Verbindung: Kein anderes Land wird von jungen Deutschen so gehypt, aber auch gehasst wie Israel. Deutsche Billigairlines fliegen heute täglich nach Tel Aviv. Zwei Drittel der jungen Freiwilligen in Israel, die sich um Holocaustüberlebende oder Friedensinitiativen bemühen, sind Deutsche. Die israelische Küche wird gefeiert. Und doch entzündet kein anderer Konflikt in Deutschland so viel Streit, sagt auch der deutsche Jude, Publizist und Professor Micha Brumlik.


"Ich bemerke mit einigem Erstaunen dass es in der deutschen Sprache den feststehenden Begriff der Israel-Kritik gibt, es gibt sonst noch die Islamkritik und die Kapitalismuskritik; eine Amerika- Frankreich oder Englandkritik gibt es nicht und das zeigt schon allein in der Sprache, in der Semantik, dass Israel in einer Weise herausgehoben wird, dass wie gesagt dem realen Problem global gesehen keineswegs entspricht."

Keine Frage: Die deutsch-israelischen Beziehungen sind bis heute alles andere als normal. Der Zündfunk Generator geht ihnen jenseits der offiziellen Diplomatie nach und fragt: Wie sind sie denn? In Berlin, Tel Aviv und Jerusalem bekamen wir ganz unterschiedliche Antworten: Von "erotische Spannung", über "unerwiderte Liebe", "obsessiv", "neurotisch" bis hin zu "schizophren".


Der Zündfunk Generator am 12. April 2015 um 22.05 Uhr auf Bayern 2.

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