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Thought Leadership: Markenführung mit konsequenter Haltung

Katrin Hesse HOFFMANN UND CAMPE X

von Katrin Hesse


Bei der Content-Strategie wird oft zu kurz gedacht: Möglichst schnell soll Content für mehr Engagement sorgen oder neue Leads generieren. Doch wer langfristig erfolgreich sein will, muss zunächst seine Marke stärken, alles weitere folgt dann von ganz allein. Das Prinzip des Thought Leadership setzt auf solch nachhaltiges Branding, es etabliert eine Marke oder Person als die erste Anlaufstelle zu einem spezifischen Thema. Einem Thema, das die Kundschaft bewegt und inspiriert sowie den Markenkern mit Inhalten und zugleich auch mit Taten auflädt.


Bei Thought Leadership geht es um überzeugendes und konsistentes Branding, das geprägt ist von einer Haltung. Mit dieser Kombination sticht das Branding aus der Masse der Werbebotschaften heraus. Wer hartnäckig und authentisch sein Thema verfolgt und Diskurse eröffnet, kann sich so als Experte oder Entertainer positionieren ‒ und erreicht, abhängig von der Tonalität, möglicherweise gar die Rolle des Vordenkers.


Wichtig ist es, mit tiefgehendem Wissen Stellung zu beziehen, andere zu neuem Denken zu inspirieren und in den Diskurs einzubinden. Ob Studien, Aktionen oder Bewegtbild: Mit einer durchdachten Thought-Leadership-Strategie und relevanten Inhalten kann jede Marke als Vordenker wirken. „Content hat vor allem ein Ziel", so der Speaker und Autor Brian Solis, „nämlich Zusammengehörigkeit zu stärken." Dass diese Art des Content Marketing auch für Marken ohne große Budgets möglich ist, zeigen jene, die ganz bei Null anfangen: Start-ups wie Clue oder Figo.


2013 gegründet, ist Clue die am schnellsten wachsende Gesundheits- und Verhütungs-App. Beim Marketing für dieses immer noch tabuisierte Thema setzt die Gründerin Ida Tin auf Influencer Marketing. Gerade in Zeiten, in denen Ängste vor Nebenwirkungen durch Verhütungsmittel so groß sind wie nie zuvor, verspricht Clue eine Zukunft für ein „hormonfreies" Körperbewusstsein und selbstbestimmte Sexualität. Kein Wunder, dass viele Frauen Teil dieser Bewegung sein wollen und die Clue Message aktiv verbreiten.

Figo hingegen tummelt sich als erster Banking-Serviceprovider im B-to-B-Finanzumfeld und überzeugte auch Kunden wie die Deutsche Bank. Der Figo-Podcast, in dem Geschäftsführer Andre M. Bajorat mit Experten der Finanz- und Digitalbranche über Lösungen diskutiert, gilt als Deutschlands Fintech-Plattform Nummer eins. Außerdem bezieht Bajorat seine Mitarbeiter in den Ausbau des Thought Leadership Marketing mit ein: Drei seiner Mitarbeiterinnen rangieren unter den Top 25 der Fintech-Expertinnen Deutschlands.

Start-ups fällt es oft leicht, sich als Vordenker zu etablieren. Mit Mut und Leidenschaft entwickeln sie Produkte und Dienstleistungen, beziehen Haltung zu ihrem Thema. Entsprechend zielgerichtet ist auch das Storytelling: angefangen bei transparenten Einblicken in die Produktforschung, den Aufbau eines Experten-Netzwerks bis hin zur fast missionarischen Verbreitung der Botschaft. Treiber ist der Glaube an die Sinnhaftigkeit der Unternehmung und daran, dass ihre Produkte benötigt werden.


Auch Konzerne mit einem breiten Portfolio können sich mit einem stringenten und außergewöhnlichen Kommunikations-Konzept als Meinungsführer etablieren. Dies muss nicht zwingend über starke Persönlichkeiten des Unternehmens erfolgen. Sogar Produkte mit geringer gesellschaftlicher Relevanz wie Softdrinks schaffen es, erste Anlaufstelle für Themen wie Happiness oder Extremsport zu werden - wenn ihre Markenführer Geduld und einen langen Atem mitbringen.


Die Palette ist vielfältig. BMW etwa wählt ein Zukunftsthema rund um Mobilität, kombiniert es mit Kunst, Architektur oder Technologie und meistert so die Herausforderung, typische BMW-M- bis hin zum BMW-i-Fahrer gleichermaßen zu faszinieren. Aber Thought Leader stehen nicht immer für Innovation. Auch Bewahrer wie die Marke Manufactum versammeln eine große Fangemeinde und Markenbotschafter um sich. Hier wird das Storytelling eng mit den Produkten verwoben: Jedes Produkt hat eine Geschichte. Auch in der ATL-Werbung findet sich die Thought-Leadership-Strategie wieder.


Das Unternehmen Gaggenau hat einen Weg zwischen Tradition und Moderne gewählt. Der Münchener Küchenhersteller lässt in seinem Magazin new spaces und in seinen Essays auf der Website unterschiedliche Thought-Leader aus den Bereichen Kulinarik, Design und Architektur zu Wort kommen ‒ bewusst ohne die Thematisierung von Küchengeräten. Gemeinsam nehmen Marke und Experten eine Vordenkerrolle zu einem gehobenen „Culinary Lifestyle" ein. Dies wird unter anderem mit exklusiven Events unterstrichen. Schritt für Schritt hat sich Gaggenau so zu einer authentisch wirkenden Marke mit einer hohen Expertise in Design, Architektur und Kultur entwickelt.


Am Anfang steht immer die Recherche. Die Recherche darüber, wie die Zielgruppe zu Thematik und Mission steht. Doch unmittelbar nach der Recherche gilt es, eine Haltung zu beziehen und diese mit Inhalten und Aktivitäten zu beleben. Das Investment lohnt sich: Mit einer konsistenten Positionierung über alle inhaltsgetriebenen Online- und Offline-Kanäle schafft man sich - nach und nach - eine größere und vor allem treue Followerschaft.

Katrin Hesse ist seit 2015 Director Strategy and Concept bei Hoffmann und Campe X, wo sie auch Workshops zum Thema Thought Leadership anbietet.


© CPWISSEN am 27.03.2017 17:13 (heute Lout Magazin)

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