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Stirbt die Clubkultur?

Photo by Sam Mar on Unsplash

Keine Party in der Krise: Die deutschen Clubs müssen auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben. Insider rechnen erst dann wieder mit einer Öffnung, wenn ein Impfstoff gefunden ist. Fehlende Planungssicherheit und laufende Kosten setzen der Branche stark zu. Clubbetreiber*innen fordern jetzt eine Mietsenkung.


Die größte Verliererin der Corona-Krise im wirtschaftlichen Sinne dürfte die Club- und Event-Branche sein. Denn sie musste ihre Locations im März als erstes schließen und wird höchstwahrscheinlich auch als letzte wieder öffnen können. Seitdem türmen sich die fortlaufenden Kosten der Clubbetreiber*innen.


Welche Hilfen bietet die Politik in der prekären Lage? Der Bund zahlte bereits eine Soforthilfe für Kleinunternehmen und Selbstständige von bis zu 15.000 Euro. In Berlin, Hamburg und Köln gibt es zudem spezifische Clubkulturförderungen. Ende Juni kündigte Kulturstaatsministerium Monika Grütters ein weiteres Konjunkturprogramm für die betroffenen Branchen an. Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bestätigte sie, dass mit „Neustart Kultur“ eine Milliarde Euro fließen soll. Davon seien 150 Millionen Euro für privatwirtschaftlich organisierte Musikkultur vorgesehen und ein Teil davon auch für Clubs mit Live-Aufführungen. Sie appellierte jedoch auch an die Bundesländer, ihren Beitrag für den Erhalt der Clubkultur zu leisten.


Systemrelevante Clubkultur

Sidney Spaeth ist Clubbetreiber und Dj. In Frankfurt am Main führt er den Club Freud. Spaeth findet, dass die Clubkultur gewissermaßen systemrelevant ist: „Wir leisten einen sozialen Dienst, weil wir Menschen zusammenbringen. Die Leute brauchen das Weggehen“.  Auf die Frage, wie es mit den Clubs weitergehen wird, sagt Spaeth: „Wenn nichts passiert, stirbt die Clubkultur“. Von der Politik fordert Spaeth ein durchdachtes Hilfspaket für die Kunst- und Kulturszene. Generell hält der Dj eine Mietsenkung „für alle Flächen, die schon älter, beziehungsweise abgeschrieben sind“, für sinnvoll. Von pauschalen Regelungen rät er ab: „Man muss die Hilfen individuell angehen und sich fragen, was eine bestimmte Veranstaltungsstätte für das soziale Leben einer Stadt wert ist“, findet Spaeth.


Die Hilfen landen bei der Immobilienwirtschaft 

Die Berliner Clubcommission e. V. – Verband der Berliner Club-, Party und Kulturereignisveranstalter e. V. ist ebenfalls dafür, mit dem Rotstift bei den Mieten anzusetzen. Sprecher und Vorstandsmitglied Lutz Leichsenring sagt, dass langfristige Lösungen her müssen: „Wir wollen uns nicht von einem Notfallpaket zum anderen hangeln. Wir brauchen unbedingt eine Lösung, die an die Substanz geht und zwar an die Miete“. Denn, so Leichsenring, würden die Gelder von Förderprogrammen letztendlich in der Immobilienwirtschaft landen. „Zum größten Teil werden sie dafür aufgebracht, um die Mieten zu bezahlen. Wir fordern deshalb einen sofortigen Mieterlass. Die Immobilienwirtschaft kann sich dann wiederum bei der Politik um Entschädigungen oder Kompensationen kümmern“, sagt Leichsenring. In einem weiteren Schritt könne man das etwas bedarfsgenauer gestalten: „Für die Immobilienbetriebe, die gerade in Geld schwimmen, kann man andere Verhandlungen ansetzen, als für die kleineren, denen es möglicherweise auch gar nicht so gut geht“, schlägt Leichsenring vor.

Momentan sei die Unterstützung von der Politik da. Das dürfe jetzt aber nicht nachlassen, denn die Clubs seien die, die als letztes wieder aufmachen würden: „Die Krise ist erst dann vorbei, wenn die Clubs wieder auf sind. Wir müssen uns also auf eine längere Zeit einstellen“, schätzt Leichsenring. 

Die Clubkultur bietet Räume der Begegnung, in denen Menschen jeglicher Herkunft, Alter, sexueller Orientierung und politischer Ausrichtung friedlich zusammenkommen können. Es ist ungewiss, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, in der diese Subkultur dauerhaft wegfällt. Ein Clubbetrieb, so wie die Szene ihn kennt, wird erst dann wieder möglich sein, wenn ein Impfstoff da ist. Bis dahin heißt es, Füße still halten.


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