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Interview

Christian Hlade - Weltweitwandern

„Wandern führt dazu, dass man sich in sich selbst wieder zurechtfindet.“

Christian Hlade, Gründer von Welt Weit Wandern, über den Sinn des Lebens, seine Tagebucheinträge und die Notwendigkeit des Scheiterns.



Es riecht nach Räucherstäbchen. Regentropfen fallen auf die Glasfront. An den Wänden hängen Bilder aus Fernost. An der einen Seite unzählige Bücher. An der anderen Seite ein niedriger Holztisch mit goldenem Gong. In der Mitte des Raumes ein Tisch mit sechs Stühlen. Auf einen dieser Stühle setzt sich Christian Hlade. Der 53-Jährige ist Vater von drei Kindern, gelernter Architekt und hat sich mit dem Reiseunternehmen Welt Weit Wandern seinen Lebenstraum erfüllt.



Katrin:Mit 15 schreibst du in dein Tagebuch “Ich möchte einmal von meinen Träumen leben und mit meinen Hobbies Geld verdienen können”. Kannst du kurz erklären, was du dir damals als Kind darunter vorgestellt hast?

Christian Hlade:Ich habe meine Gedanken schon immer gerne niedergeschrieben. Als Kind bin ich dafür im Polstersessel am Fenster gesessen, habe auf meiner Gitarre gespielt und mich danach in andere Länder geträumt. Ich habe mir vorgestellt, wie salzig die Luft am Pazifik schmeckt oder wie heißer Wüstensand durch meine Ledersandalen rieselt. Mein Ziel war, mich später nicht zwischen einem Job und dem Reisen entscheiden zu müssen. Ich wollte Beides.

Katrin:Ist dein Leben so, wie du es dir damals vorgestellt hast?

Christian Hlade:Das klingt komisch, aber heute ist es genau so. Früher hatte ich jedoch oft das Gefühl überhaupt nichts bewirken zu können. In der Schule und später an der Universität waren meine Leistungen immer mittelmäßig. Als Architekturstudent dachte ich mir bei manchen Projektzeichnungen: Christian, das schaut echt scheiße aus! Auch nach Abschluss meines Studiums, wusste ich noch immer nicht wo ich hingehöre. Heute habe ich meinen Platz gefunden und bin endlich angekommen.

Katrin:Du fliegst morgen nach Marokko. Das hört sich total spannend an, doch verursachen Flüge auch ganz schön viel CO2. Wie passen Flugreisen und Nachhaltigkeit in der Philosophie von Welt Weit Wandern zusammen?

Christian Hlade: Man darf nicht alles nur an dem einen Wort „Nachhaltigkeit“ aufhängen. Ja, Welt Weit Wandern bietet auch Flugreisen an. Es muss aber abgewogen werden, ob es sich um einen Kurzurlaub, einen Businesstrip, oder eben um einen längeren Reisezeitraum handelt. Ich denke, dass es für uns Menschen wichtig ist, manchmal in komplett andere Kulturen einzutauchen und etwas total Neues zu wagen – dazu benötigt man eben oft ein Flugzeug.

Katrin:Bei euren Reisen geht es hauptsächlich um Wandern. Warum genau Wandern?

Christian Hlade:Wandern ist kein Sport. Beim Wandern geht es nicht um eine Zahl auf einer teuren Uhr. Wandern beginnt dort, wo die Straße endet. Dann muss man sich gezwungener Weise mit seiner Umgebung auseinandersetzen. Man überlegt wohin man den nächsten Fuß setzt und wie man sich ohne Handy und Navi zurechtfinden kann. Hauptsächlich führt Wandern aber dazu, dass man sich in sich selbst wieder zurechtfindet.

Katrin:Auf deinem bisherigen Weg gab es Höhen, aber auch viele Tiefen. Ist Scheitern wichtig?

Christian Hlade:Ja! Scheitern ist enorm wichtig. Heutzutage kann das aber leider niemand mehr. Wir haben keine Zeit um zu scheitern. Alles muss schnell gehen. Die Menschen müssen erst wieder lernen, den Dingen mehr Zeit zu geben.

Katrin:Glaubst du, dass jeder seine Lebensträume erreichen kann?

Christian Hlade: Nein! Ein Ziel erreicht nur der, der den Fokus behält. Man sollte sich alle paar Monate die Frage stellen, ob man noch in die richtige Richtung geht. Vergeht man sich, ist das kein Problem. Man muss danach nur den Mut aufbringen, wieder umzudrehen. Diesen Mut hatte ich immer und es hat sich gelohnt.

Katrin:Wenn man sich mit dir unterhält, hat man das Gefühl, als hättest du unendlich viel Energie. Trotzdem gab es mal eine Zeit in der dir alles zu viel wurde, oder?

Christian Hlade:Je älter ich werde, desto mehr Ideen schwirren in meinem Kopf herum. Dass ich nicht mehr gleich viel Energie wie in der Jugend habe, habe ich leider erst zu spät gemerkt. Vor ein paar Jahren hatte ich schwere Depressionen. Ich wollte nicht mehr aufstehen. Alles um mich herum hat mich erdrückt.

Katrin:Hast du daraus etwas gelernt?

Christian Hlade:Ja. In der Vergangenheit habe ich keine Pausen gemacht, weil ich keine Zeit verlieren wollte. Heute weiß ich, dass man durch Pausen Zeit gewinnt. Nach einer Auszeit ist man fokussierter und dadurch auch viel produktiver. Jetzt merk ich’s e wieder. Es wird mir schon wieder alles zu viel. Ich lache jetzt zwar, bin auch ein bisserl nervös wegen dem Interview, aber eigentlich bin ich schon wieder ziemlich weit unten. Jetzt ist es wieder höchste Zeit, für eine längere Auszeit.

Katrin:Bei einer deiner Jugendreisen probierst du Cannabiskekse, stürzt danach einige Meter hohe schroffe Felsen hinunter und bleibst dabei aber beinahe unverletzt. Du erwähnst an dieser Stelle die Dankbarkeit an Schutzengel. Bist du gläubig?

Christian Hlade:Ich bin kein Kirchengeher, aber ich glaub jeder Mensch glaubt an etwas. Ohne jeglichen Glauben würde man dem Sinn des Lebens noch weiter fernbleiben.

Katrin:Was ist der Sinn des Lebens?

Christian Hlade:Klingt abgedroschen, aber ich denke, der besteht darin, die Welt ein bisschen besser zu machen. Dabei denke ich an die Kleinigkeiten in unserer Umgebung. Es gibt so viele Dinge, die echt schlecht sind, aber großes Verbesserungspotential haben – zum Beispiel das Radnetz in Graz.

Katrin:Was würdest du deinem 15-jährigen Ich heute gerne sagen?

Christian Hlade:Diese Frage habe ich schon einmal in einem Magazin gelesen und mich gefragt, was ich darauf antworten würde. Aber dann ist mir nichts Druckreifes eingefallen.

Katrin:Und was war das Nicht-druckreife?

Christian Hlade:Ganz ehrlich? Ich würde sagen: Scheiß dich nicht so an. Es ist schon ganz okay, was du machst. Lass dir nichts einreden und mach dein Ding. Du bist am richtigen Weg.