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Realität auf dem Gehaltszettel

Frauen verdienen 21 Prozent weniger als Männer. Dagegen hilft Gehälter veröffentlichen, sich organisieren und verhandeln, Berufs-Stereotype durchbrechen

Noch immer verdienen Frauen in Deutschland statistisch gesehen 21 Prozent weniger als Männer. Darauf weist der Equal Pay Day am 18. März hin. Eine Unternehmerin, ein Gewerkschafter und ein Lehrer aus der Region sprechen über die Gründe - und Wege zu mehr Gleichbezahlung.


Man kann es mathematisch so darstellen, dass Frauen bis zum Equal Pay Day, dem Gleichbezahltag nächsten Montag, kostenlos arbeiten. Männer erhalten bereits ab Jahresbeginn Gehalt. Gründe dafür sind, dass Frauen schlechter bezahlte Berufe wählen, Familienpausen machen und seltener in höhere Positionen aufsteigen. Doch selbst für gleichwertige Jobs erhalten sie statistisch weniger Geld als ihre männlichen Kollegen.

Die Politik will gegensteuern: Anfang 2018 wurde das Entgelttransparenzgesetz eingeführt. Auf dieser Basis können Arbeitnehmer vom Vorgesetzten verlangen, zu erfahren, wie viel andere verdienen, die die gleiche Tätigkeit verrichten. Soweit die Theorie. Denn der Anspruch auf Auskunft gilt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten. Günter Hoetzl, für Speyer und die Region zuständiger Bevollmächtigter der IG Metall, berichtet: „In der betrieblichem Realität spielt das gar keine Rolle. Nach unserer Erfahrung ist die ungleiche Bezahlung in kleineren Betrieben noch größer und wird vom Gesetz nicht berührt."

Der Frankenthaler Gewerkschafter rät stattdessen, den Betriebsrat „anzuzapfen". „Das ist effektiver und anonymer. Der Betriebsrat hat Einblick in die Lohn- und Gehaltsliste und würde sehen, dass zum Beispiel drei Frauen und zwei Männer, die die gleiche Tätigkeit in einer Abteilung machen, unterschiedliche Gehälter erhalten." Gerade in kleinen Unternehmen solle ab fünf Mitarbeitern ein Betriebsrat gewählt werden. „Wir unterstützen gerne bei der Gründung", sagt Hoetzl. Erfahrungsgemäß hielten sich Frauen mit Forderungen zurück. „Sie kümmern sich oft um Familie oder andere. Da steht Mobilität mehr im Vordergrund als die Frage der Bezahlung", so der Gewerkschafter. Am liebsten wäre ihm Offenheit wie in Skandinavien: „Da stehen die Gehälter fast am Schwarzen Brett - erspart Diskussionen und Misstrauen."


Für Unternehmerin Claudia Sturm ist gleiche Bezahlung in Zeiten des Fachkräftemangels überlebenswichtig. Mit ihrem Bruder leitet sie die Firma C+U Sturm in Harthausen, einen Stuckateur- und Malerbetrieb in Familienhand. Sie sagt: „Offenheit und Work-Life-Balance ist das Wichtigste, damit wir überhaupt noch Personal bekommen. Ich versuche, die Konditionen für die Frauen so zu gestalten, wie sie es brauchen." Dennoch arbeiteten von über 100 Beschäftigten (mit ihr) nur fünf Frauen bei C+U. „Im Maler-Bereich samt Ausbildung sind wir weiterhin eine Männerdomäne."

Sturms Vorschlag: „Während der Schulzeit Berufe kennenlernen, auch männliche. Nicht jeder hat im Elternhaus Kontakt zu einem Handwerksbetrieb wie ich." Die Handwerkskammer biete Feriencamps an, um die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) „sichtbarer" zu machen. Einen solchen Ansatz verfolgt auch das Edith-Stein-Gymnasium Speyer, eine Mädchenschule: „In Kooperationen mit technischen Unis und auf unserer Berufswahlmesse treffen die Schülerinnen Frauen aus MINT-Berufen", sagt Lehrer Dominik Weitzel. „Wir sehen, dass viele Schülerinnen naturwissenschaftliche Leistungskurse wählen. Vielleicht gehen sie unverkrampfter daran als auf gemischten Schulen."

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