Mit der Coverversion von 50 Cents "Ayo Technology" wurde Milow 2008 in ganz Europa bekannt. Seit dem tauchte der belgische Sänger und Songwriter, der eigentlich Jonathan Vandenbroeck heißt, immer wieder mit Songs wie "You And Me" oder "Little In The Middle" in den Charts auf. Anfang 2012 nahm er sich eine Auszeit und reiste nach Kalifornien. Fast zwei Jahre war es ruhig um Milow, jetzt meldet sich der 32-Jährige mit seiner Akkustikgitarre und dem neuen Album "Silver Linings" zurück.
Die Welt: Man hat lange nichts von Ihnen gehört.
Milow: Oh ja, das stimmt. Es ist nicht so, dass irgendetwas passiert wäre oder so. Es war mehr eine instinktive, impulsive Entscheidung eine Pause einzulegen. Am Anfang war es nur eine Art Urlaub, aber es wurde dann wohl doch etwas länger.
Immerhin haben Sie knapp zwei Jahre in Kalifornien gelebt.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Als ich Anfang 2012 meinen Flug gebucht habe, wusste ich nicht, ob ich für ein paar Wochen, ein paar Monate oder ein paar Jahre weg sein werde. Mir wurde mit der Zeit klar, dass es toll ist, auf Tour zu sein, aber dass es wie eine große Blase ist. Dass man das alles schnell für selbstverständlich hält, und dann ruht man sich vielleicht auf seinem Erfolg aus und blockiert damit selbst seine eigene Kreativität. Davor hatte ich Sorge und deshalb wollte ich einfach einmal wieder das Leben leben, neue Perspektiven entdecken - weit weg von Europa. Und ich habe natürlich gehofft, dass dabei auch ein neues Album heraus kommt. Aber das weiß man vorher nie so genau.
Warum gerade Los Angeles?
Das war kein Zufall. Irgendwie hatte ich seit 2000, als ich mit 17 Jahren ein Jahr in Kalifornien gelebt habe, versucht, zurückzukehren. L.A. hat eine riesige kreative Künstlerszene. Du triffst so viele Musiker, besuchst jeden Abend ein anderes Konzert. Es war zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich umgeben von Menschen war, die alle mehr oder weniger dasselbe machen wie ich. Das war großartig.
Hat Sie diese Kreativität persönlich beeinflusst?
Auf jeden Fall. Als Musiker läuft dein Leben in Zyklen ab. Während eines Tour-Zyklus bist du nie daheim, und in einem Kreativ-Zyklus bist du nur damit beschäftigt, Songs zu schreiben. Es ist schön, einfach einmal wieder ins Kino zu gehen, Ausstellungen zu besuchen und einfach nur die Zeit zu genießen. Das hat mich sehr inspiriert!
Hört man das auf dem neuen Album "Silver Linings"?
Es ist vielleicht noch ein bisschen zu früh zu sagen, wie stark meine Zeit in L.A meine Musik beeinflusst hat, aber ich habe versucht mich nicht diesem Druck auszusetzen. Viele belgische Musiker, die ich noch aus meiner Jugend kenne, gingen nach ihrem ersten erfolgreichen Album nach L.A um dort eine ganz besondere Platte aufzunehmen. Und die meisten scheiterten daran. Ich hingegen wollte einfach nur mein eigenes Album machen, ein Album, das nach Milow klingt.
Das ist aber sehr ruhig und melancholisch geworden...
Ich weiß, es wirkt widersprüchlich. Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes die Zeit meines Lebens, und dann entstehen am Ende sehr viel mehr melancholische als fröhliche Songs. Aber ich schreibe meist über Dinge, die schon sehr viel früher passiert sind. Deshalb ist das kein Widerspruch. Meine Lieder entsprechen viel mehr der Musik, die ich gemacht habe, als ich mit dem Song-Schreiben angefangen habe.
Das letzte Album "North and South" war aber durchaus etwas vergnügter und temperamentvoller?
Mit "North and South" habe ich ein fröhlicheres Album herausgebracht. Aber das ist gerade einmal drei Jahre her, also musste ich das nicht wiederholen. Am Ende hatte ich 40 Songs geschrieben und als ich entscheiden musste, welche zehn auf mein neues Album kommen, habe ich mich für die stärksten Songs entschieden. Ich denke, ich bin einfach ein bisschen besser darin, diese melancholischen, verschlossenen Lieder zu schreiben. Ich wollte ein hoffnungsvolles Album produzieren. Für mich gibt es Hoffnung nur in Kombination mit Melancholie.
Ein Album voller Hoffnung. Deshalb auch der Titel "Silver linings" (Silberstreif am Horizont")?
Ja, ganz genau. Der Silberstreif ist nicht nur ein sehr einfach zu verstehendes Bild, es fasst auch irgendwie alles zusammen, was ich bisher als Musiker gemacht habe. Oder zumindest alles, was ich mit meiner Musik beabsichtigt habe. Und gleichzeitig ist es für mich ein großes Ziel. Auch wenn es nicht immer funktioniert, versuche ich nach dieser Regel zu leben: Optimistisch bleiben! Auch wenn das mit vielen Aufs und Abs verbunden ist.
Welcher Song bedeutet Ihnen am meisten?
Eine schwierige Frage. Auf jedem Album sind auch immer ein paar autobiographische Songs von mir. Als Musiker bin ich besonders stolz auf Titel wie "Misstaken" oder "Echos in the dark". Aber als Mensch bedeuten mir Songs wie "Are you still alive in my head" und "My mother's house" am meisten. Denn sie handeln von meiner Familie und meiner Geschichte. Das liegt einem dann natürlich ganz besonders am Herzen.
Gleich für mehrere Titel haben Sie sich weibliche Unterstützung geholt...
Wenn ich mit Courtney Mary Andrews zusammen singe, ist es, als würden wir das schon seit Jahren tun. Ich liebe ihre Stimme, sie erinnert mich an die 70er-Jahre und ich hoffe sehr, dass sie mit mir auf Tournee kommen wird. Ich werde alles tun, um sie davon zu überzeugen.
Erwartet uns denn dieses Jahr noch eine große Milow-Tour?
Das neue Album ist gerade erst erschienen, deshalb stehen bisher erst ein paar kleinere Konzerte fest. Aber in den nächsten Wochen werden weitere Termine dazu kommen. Im November gehe ich noch einmal auf große Tour. Ich war jetzt ein paar Jahre weg und ich kann es nicht erwarten, meine neuen Songs zu spielen und mit einer großartigen Band aufzutreten.