„The future is no longer just a time to come. It´s more like a state of mind", so eine These des Futuristen und Autoren Gerd Leonhard, der derzeit vor allem als CEO seiner The Futures Agency weltweit vor großen Konzernen Keynote Speeches hält.
Als ich im letzten Jahr einen neuen Job antrat, befand ich mich plötzlich an einer recht zentralen Stelle des digitalen Wandels - an einer Stelle, wo große Wirtschaftsplayer händeringend nach Innovationen suchen, um sich in einem internationalen Konkurrenzkampf um die disruptivsten digitalen Produktneuheiten zu behaupten. Und obwohl ich inspirierende, engagierte, kluge Leute traf, lernte ich sehr schnell, dass langfristige Planung und die Frage nach den gesellschaftlichen Auswirkungen von unternehmerischen Plänen in diesem Umfeld nicht angesagt waren. Und ich musste feststellen, dass mich angesichts einiger Entwicklungen im Arbeitsleben das Gruseln überkam - ein Gruseln, für das ich nicht die richtigen Worte fand.
Die Zukunft von der Leonhard spricht, ist die Zukunft, auf die Konzerne wie Google, Facebook und Alibaba mit ihren Forschungsabteilungen, unzähligen Start-Ups und mit unvorstellbar viel Geld hinarbeiten. Eine Zukunft der all umfassenden Digitalisierung, in der Dinge, die intelligent miteinander kommunizieren, unsere Lebensform dominieren - und in der vielleicht auch wir zu Cyborgs werden. Eine Zukunft unzähliger neuer Konsumoptionen, gestaltet weniger von demokratischen politischen Entscheidungen, als vielmehr von Wirtschaftsunternehmen. Für Mitbestimmungsmöglichkeiten gilt hier noch immer: Wer zahlt, schafft an. Grund genug, sich unbehaglich zu fühlen - oder wahlweise natürlich auch vorfreudig-erregt.
Die Zukunft ist aber auch schon längst Gegenwart, anzutreffen beispielsweise im Münchner Umland, wo der Landwirt Michael Warter beim Felder düngen seinen Schlepper autonom fahren lässt und sich voll auf die Überwachung seiner Maschinen via Bildschirm konzentrieren kann. Oder bei der Continental AG, die inzwischen wahrscheinlich mehr Leute anstellt, die sich damit beschäftigen, wie Autoteile mit anderen Autoteilen kommunizieren werden, als Leute, die Autoteile oder Reifen produzieren.
Die Zukunft, sie wird sich früher oder später auch im Leben von Bankangestellten, Buchhaltern, Versicherungsmaklern, Kassierern, Altenpflegern, LKW-Fahrern und Lageristen bemerkbar machen, wenn wir den Zukunftsvisionen der großen Produzenten neuer Technologien glauben. Gerd Leonhard fragt provokativ: „Would you rather be wired than fired?" Bleibt uns nichts, als unsere Effizienz der von Computern anzupassen? Oder schaffen wir es - wiederum wohl nur mit Hilfe dieses neuen Mindsets, hier als neue Mentalität - komplett neue Beschäftigungsfelder für uns zu entwickeln?
Weil ich nun weder mein Mindset, also meine Art, mit Herausforderungen umzugehen, neu programmieren kann, noch es auf eine einsame Bergalm fernab des Zeitgeists verpflanzen möchte, plädiere ich dafür, den Widerstand, den die meisten von uns spüren, produktiv zu machen. Ansatzpunkte zur Mitgestaltung sind da: So geht es jetzt darum, Machtverschiebungen überhaupt mal wahr zunehmen. Es geht ums Suchen nach den richtigen Worten, wenn uns das Gruseln überkommt - und darum, diese dann auch auszusprechen. Aber auch: sich auf etwas Neues einzulassen und gemeinsam herauszufinden, was funktioniert. Und nicht zuletzt darum, sich nicht darin beirren zu lassen, immer noch einen Schritt weiterzudenken - und dabei auch mal einen Blick über den Tellerrand einer technologiebegeisterten, leistungsorientierten, konsumfreudigen westlichen Welt hinaus zu riskieren.
Redaktion: Katja Huber Regie: Helen Malich Ton und Technik: Fabian Zweck Produktion: BR 2017