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Review

Konzertbericht: Helene Fischer

Godzilla und Tinker Bell, Schmetterlinge und Funkenflug, Klassik und nackte Haut. Las Vegas? Hollywood? Neues Video von Madonna? Nö. Einfach nur: Helene Fischer.


Bei diesem Namen formen sich entweder Augen zu Herzchen oder Stirnen zu Runzeln größtmöglicher Verachtung. Die Blondine spaltet die Nation wie kaum ein Künstler. Man hat sie zu lieben oder zu hassen, graustufige Co-Existenz ist nicht vorgesehen im Katalog des Bashings oder quasi-religiösen Verehrens. Deswegen gibt es Menschen, die am vergangenen Donnerstag nicht im Frankenstadion beim „Farbenspiel“ waren. Und solche, die sowas von da waren. Gesetzt den Fall, sie hatten den Weg durchs lustige Verkehrslabyrinth gefunden. Folgerichtig startete so manch einer der rund 40000 eher atemlos in die Nacht.

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Ob Helene Fischer jetzt als eine Künstlerin zu betrachten ist im Sinne von „macht gute Musik“ sei mal hintenangestellt. Fakt ist: Diese Frau ist Show, ist Marke, ist Vollprofi vom akkuraten Scheitel bis zur goldbereiften Sohle. Ist so viel mehr als dieser eine elende, pardon, Schlager, der sich als Wurm ins Ohr setzt um dort nie wieder rauszukommen. „Atemlos durch die Nacht“ bitte vergessen. Natürlich kam das, natürlich erklang der 40000-köpfige Fischer-Chor, aber es sei verziehen. Ungefähr seit der Sekunde, in der aus unsichtbaren Kanonen gelbe Schmetterlinge überall ins Podium geflogen kamen, und dann flatterte es auch schon selbst auf die Bühne und dann stolze 2,5 Stunden überall im Stadion herum, dieses Phänomen im goldgelben Startoutfit, das selbstbewusst auf die osteuropäischen Wurzeln zu verweisen schien.

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Helene Fischer liebt ihr Publikum und produziert ergreifende Momente, schießt Selfies mit der am weitesten entfernten Fänin, hat keine Band dabei, sondern ein Ensemble mit Musikern und Sängern und Ballett. Sprüht vor Energie wie die Funken von der Pyro, und man weiß gar nicht, wohin man eigentlich schauen soll auf diesem Bühnenbild, das designt, gestylt, perfekt ist in seiner Farbenfreude und dem schier endlosem Wechselspiel. Ähnlich wechselnd: das mit der Musik. Das ganze Außenrum hat den erfreulichen Nebeneffekt, dass man sich nicht allzusehr auf die verbraucherfreundlichen Texte konzentrieren muss und dabei an Florian Silbereisen denken.

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Gefühlt besteht aber die Hälfte des Repertoires aus Covern großer Hits verschiedenster Richtungen und Ären. Bryan Adams und Tabaluga, Tina Turner und Bette Middler, Kings of Leon und Westernhagen, und eigentlich klingt irgendwie alles so, als würde man’s schon kennen. Da ist für jeden was dabei, damit holt sie jeden früher oder später ab, und aller-, wirklich allerspätestens dann, wenn sie urplötzlich durchs Stadion fliegt: Höhe schwindelerregend, Körperspannung perfekt, Stimme auch. Tinker Bell, eine grüne Glitzerfee.

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Da stehen aber eh schon alle. Falls sie je gesessen waren. „Willkommen mitten im Paradies“, sagt die Frau Fischer und singt vom Nicht-fehlerfrei-sein, ausgerechnet, macht Chanson und Disco und Lambada und Klassik und „immer wieder dieses Liebesglück“, das sie freilich allen Anwesenden wünscht. Altruistisch isse ja auch noch, die schöne Helene. Die mehrfach ausgezeichnete mit der Musical-Ausbildung und den über neun Millionen verkauften Platten. Deswegen schenkt sie ihrer Anhängerschaft auch selbstlos die Möglichkeit, sich dank breit gestreutem Merchandise erst von Kopf bis Fuß mit Fan-Zubehör vom Kuli bis zum Kuschelschaf einzudecken und anschließend in der Foto-Box ein Andenken zu schießen. Dabei liefert die 30-Jährige ausreichend erinnerungswürdige Momente. Ihre eigene Musik gehört vielleicht nicht unbedingt dazu.