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Leuchtturm für 2nd-Hand: GENTLEMACHINE

Ein Klamotten-Laden mitten in der Innenstadt, in dem Secondhand-Waren nicht nur erworben werden kann, sondern auch getauscht und geliehen? Dieses Konzept haben zwei Nürnbergerinnen ersonnen – und wären damit bei Erfolg echte Pionierinnen. Dafür benötigt „GENTLEMACHINE“ aber Hilfe.

Mode ist ein unersättlicher Ressourcenverschlinger, ein Fass ohne Boden, in das Jahr für Jahr Tonnen an Materialien und Rohstoffen geworfen werden, nur um umgehend als Müll wieder ausgespien zu werden. „Fast Fashion“, also die bewusste in Kauf genommene Kurzlebigkeit von Kleidungsstücken ist eine Geldmaschine für wenige einerseits, andererseits für die Welt eine Katastrophe. „Aktuell werden weltweit etwa 200 Milliarden Kleidungsstücke im Jahr produziert. 50 neue Kollektionen im Jahr sind dabei keine Seltenheit – und am Ende landen Teile davon ungetragen auf der Mülldeponie. Das größte Umweltproblem in der Modeindustrie ist somit nicht nur der oftmals schädliche Herstellungsprozess, sondern vielmehr die wahnsinnige Überproduktion“, sagt Wanda Leuthe – und möchte der maßlosen Überproduktion etwas entgegensetzen. Einen David, ja, aber einen mit Potenzial als Signal und Leuchtturmprojekt. „GENTLEMACHINE“ heißt das Konzept, das die 35-Jährige Kreative gemeinsam mit Kristina Zovko-Smith, ehemalige Store-Managerin einer großen Marke kurzlebiger Klamotten, ersonnen hat. Dahinter verbirgt sich auf den ersten Blick hinlänglich Bekanntes: Ein Secondhand-Laden, in den neuwertige, qualitativ einwandfreie Kleidungsstücke an- und verkauft werden können. Aber auf den zweiten Blick ist freilich alles anders – und auf den dritten auch. „Wir wollen das bekannte Konzept um einige Aspekte erweitern und so getragene Mode zeitgemäß und attraktiv machen“, sagt Wanda Leuthe und erklärt: Dass es neben dem „normalen“ Kauf auch Tausch-Angebote geben soll für günstige Kleidung, deren Verkauf kaum lohnt. Dass es eine App geben soll und sogenannte „Coins“, also eine digitale Währung, mit der in 5er-Schritten mitgebrachte Ware bewertet und neue aus dem digitalen Geldbeutel bezahlt werden kann. Dass sie sich eine Community wünschen, deren Mitglieder Vorteile genießen. „Wir planen zusätzlich zum Laden eine Schneiderei für Ausbesserungsarbeiten sowie ein Repair Café, in dem unter Anleitung Klamottenteile repariert oder verändert werden können und wollen zum anderen auch Workshops anbieten“, erklärt Wanda Leuthe. „Weg vom Wühltisch-Ambiente“ soll „GENTLEMACHINE“ gehen, Secondhandmode auf ein neues Level heben – und vor allem: „Raus aus der Nachhaltigkeitsbubble!“ Deshalb suchen Leuthe und Zovko-Smith einen Laden mittendrin in der Innenstadt, „in der Mitte der Gesellschaft“. Einfach, um Präsenz zu zeigen und zum Nachdenken anzuregen. Vor allem aber auch, um Berührungsängste abzubauen. Weil für viele Menschen Secondhand immer noch ein bisschen schmuddelig ist und irgendwie igitt. „Wir wollen den Laden gestalten wie einen Concept Store, in die Kundschaft am besten gar nicht merkt, dass alles Secondhand ist“, sagt Wanda Leuthe, die an dem Konzept seit drei Jahren kreativ arbeitet, Label und eine (pandemiegestörte) Ausstellung entwickelt hat. Um alles realisieren zu können, benötigen die Macherinnen von „GENTLEMACHINE“ allerdings Starthilfe, die das bewährte Crowdfunding leisten soll: „25000€ benötigen wir, um die passende Location anmieten, herrichten und den Laden einrichten zu können.“ Alles darüber hinaus flösse in beispielsweise die Entwicklung der App. Wie „GENTLEMACHINE“ aussehen könnte, kann man aktuell noch im k:osk93 des Künstlerhauses anschauen und ausprobieren. Hier im Erdgeschoss befindet sich noch bis 17.7. der Popup-Store des Projektes, das sich klein, aber mit aller Macht gegen den Produktionswahn stemmen möchte. „Wir sind der Meinung 10% des jetzigen Produktionsvolumens würden reichen.“ Das wären 20 Milliarden Kleidungsstücke. Dafür landen die Flohmarktkisten in unseren Kellern nicht in der Altkleidertonne – sondern im besten Fall in einem neuen Leben.

Gentlemachine Popup-Store, Königstraße 93, ÖZ Mo-Fr 14-20 Uhr, Sa 12-18 Uhr

Crowdfunding bis Mitte August unter startnext.com/gentlemachine