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Vermisst im Stadtpark: Wo steckt die "Frau mit Krug"?

Nürnberg - Eine Brunnenfigur im Stadtpark war gar nicht eingekistet, sondern verschwunden. Ein Kuddelmuddel!

Schau um, schau um, der Fuchs geht um im Stadtpark - oder irgendein anderes Tier, das mit viel Sachverstand und behutsamem Effet zwar keine Gänse, wohl aber Frösche beinahe rückstandslos zu entfernen weiß: Über den Verbleib des bronzenen Amphibiums, das zuletzt von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet am Rande eines höchstens für Erdferkel interessanten Teichbeckens ein schattiges Dasein fristete, ist weiterhin nichts bekannt und darob nur zu wünschen, dass der Froschkönig nicht an die Wand geworfen wurde, sondern ein geküsstes Leben inmitten von Gartenzwergen und Bambis führen darf.

Aber hey, Fuchs, du hast den Frosch gestohlen, gib ihn gefälligst wieder her! Doch während sich diese Geschichte des Kunstraubrittertums als zwar ungelöst, doch weitestgehend zweifelsfrei präsentiert, ist ein anderes Rätsel der jüngeren Nürnberger Kunstraubgeschichte gänzlich ungeklärt - und wird es allem Anschein nach für immer bleiben.

Große Holzkiste

"Wo ist die Frau mit Krug geblieben?" erklingt im Mai dieses Jahres der verwunderte Ruf eines aufmerksamen Spaziergängers, Stadtchronisten und Zeitungslesers, der folgendes Szenario zum Rapport bringt: Im Stadtpark'schen Rosengarten stand, der geneigte Spaziergänger weiß das leidlich, seit langer Zeit eine große Holzkiste genau dort, wo man eher Nixen, Delfine oder sonstiges Getier vermuten würde, nämlich inmitten eines Brunnenrunds.

Doch während jüngere Semester sich an die Kiste gewöhnt, sie womöglich unter Kunstverdacht gestellt hatten, denn davor ist man in der Noris nie gefeit, wusste der Leserbriefschreiber mehr: Unter ihrem Holzverlies, so der Zeuge, darbte mit der Plastik namens "Frau mit Krug" ein Kunstwerk aus der Zeit der Parkumgestaltung der 50er Jahre, dessen Urheberschaft zwar nicht zweifelsfrei geklärt (die Künstlerin Gudrun Kunstmann laut Elke Masas Buch "Freiplastiken in Nürnberg" vs. Erna Steinberg laut Hochbauamt-Kartei), dessen Existenz jedoch über jeden Verdacht erhaben war.

Allein wiederholter Vandalismus in den 90ern, so unsere Quelle, habe es erforderlich gemacht, die seltene Statue in Schutzhaft zu nehmen und vor weiterer Zerstörung zu bewahren: Rüpel hatten die "Frau mit Krug" enthauptet, weitere Misshandlungen waren zu befürchten, vielleicht auch ein Spuk.

Eingesperrt in eine Kiste habe die kopflose Dame nun also 30 Jahre leben müssen, bis das Hochbauamt, namentlich Andreas Wissen, sich im Frühjahr 2021 erbarmt und den Sarkophag zur Öffnung freigegeben habe. Darunter aber: eine Sandsteinfortuna mit Füllhorn! Eine Metamorphose! Daneben: Ratlosigkeit. Und Gespött: "eine Baumarkt-Nymphe mit Schnorchel im Scheitel", amüsieren sich Kenner wie Besucher, sei nun dort zu sehen, wo doch eigentlich die Figur der renommierten Nürnberg-Künstlerin Steinberg oder Kunstmann zu weilen habe!

Wir fragen nach beim Hochbauamt, wo Andreas Wissen ganz entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit seinem Namen nicht so richtig Ehre macht: "Wir können uns das nicht erklären", so der Sprecher des Beirats Bildende Kunst, auf dessen Bestreben hin die Brunnendame exhumiert und zur künstlerischen Weiterverhandlung freigegeben hätte werden sollen - eine schöne Idee, doch wo kein Kopf fehlt, kann auch keiner kreativ erneuert werden.

Nur: Wo ist die "Frau mit Krug" geblieben? Wer hat sie wann ausgetauscht - und warum musste die neue Dame eingekistet werden, kaum dass sie ihren Thron bestiegen hat? Und wieso hat man diese hölzerne Hülle, die man witterungssensiblen Geschöpfen für gewöhnlich nur zum Warmhalten im Winter verpasst, ewig draufgelassen?

Schulterzucken, große Augen, Fragezeichen auch von Baureferent Daniel Ulrich, dem Herrn über die öffentlichen Räume und damit Künste, sowie SÖR als Verwalter derselben. Mindestens letztere, meint Nikolaus Bencker aus der HBA-Abteilung Denkmalschutz, sollten es wissen.

"Keine Ahnung"

Tun sie aber nicht, wohl sich aber munter einreihen in den städtischen Reigen der Verantwortungszuweisungen: Von Pontius zu Pilatus wird von uns jeder mal gefragt, selbst ein seit 20 Jahren im Ruhestand befindlicher Bautruppvorarbeiter: "Da war was mit der Wasserleitung", kratzt der sich vorsichtig am Kopf. "Aber sonst? Keine Ahnung."

Ein Ortsbesuch soll Klärung bringen, doch stattdessen stiftet dieser, man ahnt es schon, noch mehr Verwirrung. Während nämlich sowohl die ein- als auch die ausgekistete Statue deutlich sichtbar mitsamt Sockel in der Mitte des Trockenbeckens residieren, zeigen alte Fotografien, was die Realität bestätigt: Eine "Frau mit Krug", die mitnichten in der Brunnenmitte sitzt, sondern vielmehr an dessen Rand niederkniet, wovon heute noch verwitterte Spuren Zeugnis tragen.

Jetzt ist auch Sebastian Gulden, denkmalpflegerischer Gutachter, Kunsthistoriker und Bauforscher und als solcher emsiger wie kritischer Betreiber der Facebook-Seite "Nürnberg - Stadtbild im Wandel", mit seinem Sherlock-Holmes-Latein am Ende. "Wo die Figur jetzt ist, wissen wir nicht - mutmaßlich im Denkmalstadel oder beim Stadtgartenamt in einem Depot." Jenes Gartenbauamt, das seit einigen Jahren bei SÖR integriert ist, die wiederum sich selber nicht... ach, Sie wissen schon.

Vermutlich ist das so: Es saß einmal eine Terracotta-Frau-mit-Krug an einem Brunnenrand. Die wurde in den 90er Jahren geköpft und, vielleicht, vor weiterem Ungemach gerettet durch Abbau. Als Ersatz wird in dieser Zeit, also in den 90er Jahren, eine Flora angeschafft und die Mitte des Brunnens gesockelt, auf dass der Vandale nicht mehr hingelange, und wenn, dann nur mit nassen Füßen.

Weiters wird Flora im Winter eingekistet und im Frühjahr befreit - bis eines Tages die Geschicke von Wasserleitung, Zeit und Stadtverwaltung ihr übel mitspielen und die arme Flora einfach vergessen wird.

Beim Kistenlüften jetzt passiert lediglich ein psychologischer Effekt: Weil die Frau-mit-Krug so sehr lange am Brunnenrand gesessen war, dass sie sich in Kinderköpfe einbrennen hat können, meinen altgediente Stadtparkgänger, es muss so ein, dass freilich diese unter der Kiste geschlummert hat. Was natürlich nicht der Fall ist, weil warum sollte man eine kopflose Brunnenrandsitzerin auf einen Sockel unbequemen, eine Kiste drüberstülpen und den Schlüssel verschlucken?

Es ist also alles überhaupt kein großes Wunder, sondern nur lediglich der Mensch verschollen, der sich konkret an den Austausch erinnern kann. Denn der hat sein Wissen vor vielen Jahren mit in den Ruhestand und von dort wer weiß wohin mitgenommen.

Was bleibt? Ein großes Rätsel, ein epochaler Kunstraub, ein Mords-Kuddelmuddel?! Die Überlegung, vielleicht mal David Copperfield anzurufen. Und eine leise Furcht vor der anberaumten Stadtpark-Teilneugestaltung. Was da alles verschwinden kann!

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