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Apostile

Rauf aufs Sofa - Hätte. Könnte. Würde!

Lang hab ich gedacht, ich wüsst ganz gut, was etwas mit „Würde“ zu tun hat. Was zum Essen haben hat dazugehört, Klamotten, Wasser, mit seinem Beruf die Miete bezahlen können, so in der Art. Da hab ich aber wie so oft die Rechnung ohne den Kini gemacht. Der kam, sah und fiepte: „Frisur! Würde!“, und noch während er’s gesagt hat, hab ich gefunden: Ja, Markus, schon insbesondere auch die deine, weil hast du wohl auch mitgekriegt anhand von u.a. Präzedenzfällen im englischsprachigen Ausland, dass Frisur und Politik irgendwie eng beinanderzuhängen scheinen, du süßes kleines Monchichi! Hab ich mir gedacht, dem Kini innerlich zärtlich die Zauselocken gestrubbelt und dabei hämisch an den splissigen Strähnen der wallenden Mähne genuckelt, die mir weitestgehend unbemerkt über den eigenen Kopf gewachsen war. Aber wo die einen sagen „Karma“, sagen die anderen „Das Imperium schlägt zurück“, und während ich genuckelt hab, hab ich vor lauter Schmatz das imperiale Säbelrasseln nicht gehört. „Würde“, hab ich also unlängst in ein Schaufenster hineingesprochen, „es Ihnen etwas ausmachen, mir nachher geschwind die Spitzen und den Nacken wieder zu zivilisieren?“, und weil es der Dame nichts ausmachte, saß ich bald auf einem Stuhl, eine Stunde später auf dem Radl und weitere drei Minuten später weinend unter der Bettdecke. Eine Angehörige vom Reinigungspersonal, so musste es geschehen sein, hatte sich mit Schere und Rasierapparat bewaffnet als Coiffeur verkleidet, während der Chef in Mittag war, hatte verständig genickt, meinen Ausführungen gelauscht und sich Bilder zeigen lassen, um sich sogleich ausdauernd ans Werk zu machen. Das forumunschöne Ergebnis war ähnelte frappierend der Uniform des Love-Parade-Jüngers der 90er Jahre, wenngleich in einer expressionistischen Variante von Ostblock-Architektur: massiv und kantig. Hinten auf Augenhöhe mit dem Rechen grade abgezogen eine schöne, dicke Stufe, der nach vorne hin in flottem Gefälle (75%) links und rechts zwei Dreieckshasenohrenmatten folgten, deren Keckheit eine Asymmetrie und von unten hervorwinkender Fransensalat dezent zu betonen wusste. „ICH MUSS FÜR IMMER MÜTZE AUFHABEN!!!“ hab ich geweint, gefleht und mit wirrem Blick das Spiegelbild mit der Bastelschere bedroht. „Ach, das ist doch nicht so schlimm, das verwächst sich doch wieder!“, hat mein wortgewandter Therapeut versucht zu deeskalieren und alle Messer weggeräumt. „NEIN TUT ES NICHT HÖCHSTENS VIELLEICHT BIS 2030 IST DAS WIEDER HERZEIGBAR!“ hab ich mich auf dem Boden gewälzt und das Wort „Würde“ noch nichteinmal mehr schreiben können. Der Himmel war verdüstert. Doch daraus hervor reckte sich eine Göttinnenhand, die sprach: „Bist sehr verzweifelt?“ und „Schick mal Fotos!“ und „Wann kannst du hiersein?“ Ich konnte schnell. Und nach einer fürwahr weltmeisterlichen Leistung mir zwar leichtem, doch äußerst würdevollem Haupt wieder nach Hause gehen.