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Kultur am Unort: die HortenTorte

Mit Kunst, die zugänglich ist für alle Bürger, die erinnert, ohne zu belehren, und die im Zweifel einfach schön ist und sonst nichts, damit tut sich Nürnberg schwer. Während hier und da über Denkmalsetzung, Kulturschutz und Befindlichkeiten debattiert wird, verliert die Stadt fast beiläufig einen wichtigen Chronisten: Am Aufseßplatz klopft, hammert, sprengt und werkt man emsig daran, mit dem Horten-Gebäude nicht nur ein weiteres Zeugnis hiesiger Bauhaus-Architektur ins bauschuttstaubige Nirwana zu befördern, sondern mit dem „Schocken“ auch den steinernen Beweis jüdischer Handelskultur einst größter Strahlkraft. „Ein Verlust kulturpolitischer, urbanistischer und kooperationspartnerschaftlicher Bedeutung“, findet ein kreatives Trio und hat flugs die Kompetenzen vereint, um Untypisches hervorzubringen: Lösung statt Larmoyanz.

Kunstwissenschaftler Dr. Harald Tesan und mit Klaus Haas und Momoshi auch zwei Künstler überregionaler Namhaftigkeit haben sich merklich Gedanken gemacht. Mit persönlichem Bezug zum „Hoddn“ gesegnet, hat der Abriss desselben ersteinmal ein Bauchgrimmen verursacht, erzählt das Trio fröhlich im Video-Telefonat. Weil „da halt echt was verloren geht“ an Gewohntem, Nähe, Identifikation, Historie – und dieses Gefühl in der Stadtbevölkerung gar nicht mal so selten sei. Doch derweil, so Dr. Harald Tesan, vergleichbare Gebäude in jüdischer Tradition in beispielsweise Chemnitz – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – konserviert und zur Attraktion erhoben würden, winke hierzuorts lediglich der Abrisshammer. Zudem sei mit dem Aufseßplatz die einstige gute Stube der Stadt zum Unplatz degeneriert, zur ungeliebten Bronx, durch deren Ödnis die Tauben „Verwahrlosung!“ gurren. Was also tun? Wie der Zerstörung Einhalt gebieten, das Werk bewahren, konservieren und ins Geschenkpapier der Liebe, Freude, Farbe an die Stadt zurückgeben?

Na ganz einfach: „HortenTorte“ nennen Haas, Momoshi und Tesan in vergnügter Nahbarkeit dasjenige Projekt, das sie gar nicht oberflächlich ersonnen, sondern mit professionellem Tiefgrund erforscht, begründet und entworfen haben. Ist der Name nicht ein wenig wenig akademisch? „Ganz genau“, sagt das Trio und findet, dass Torte doch was Gutes ist, behaglich und für jeden ein Begriff – und „interessant, weil da etwas rausgeschnitten wird.“ Und rausgeschnitten werden grad die weltberühmten Fassadenteile; hohle Quader, die dem hundert Jahre alten Schockenhertiehorten seit der Nachkriegszeit sein Gesicht gegeben haben – und dem Umfeld mit dazu. Rausgeschnitten wird also, so das Verständnis der Initiative, ein großes Stück Identifikation. Aber wenn man so ein großes Tortenstück heraushebt aus dem Ganzen, muss man es ja nicht direkt verschlingen, sondern kann sich erst einmal daran erfreuen: Ein „Dokuzentrum für verschwundene Kaufhauskultur“ wollen Haas, Momoshi und Tesan ihrem Nürnberg schenken, einen Kultur- und Begegnungsort in Tortenform.

10x20 Meter mehrstöckige Anteilnahme an Prozess und Bevölkerung, mitten auf den Platz. Einen Ort der Transparenz im wahrsten Sinne, der mit „multimedialen Installationen“ wechselnd bespielt, beweglich, zugänglich sein soll. Eine Idee nur – bislang. Jedoch für eine „zugleich historische wie zukunftsorientierte Möglichkeit“, einen Ort zu schaffen, in dem „Geschichte und zeitgenössische Kunst erfahren werden können, die nicht in den 60er Jahren steckengeblieben sind.“ Als „Symbiose sich ergänzender Kompetenzen in die Südstadt wirbeln“ will man – wenngleich mit Bedacht: „Wir sind alle nicht auf der Milchsuppe dahergeschwommen“, versichert Klaus Haas. Die drei dicken Bs des öffentlichen Raums – Bauverordnung, Brandschutz, Befindlichkeiten – werden wie das Monetäre längst verhandelt und weit behutsamer abgeklopft als die Fassadensteine. Startplan: 2024. Und, ist die Stadt bereit für Torte? „Nürnberg hat in jüngster Vergangenheit seine große Bereitschaft und Offenheit für kulturelle Innovationen gezeigt. Dem würden wir gerne was anbieten.“