1 subscription and 4 subscribers
Feature

Nürnbergs verborgene Tänzer

Gegen zwei Uhr morgens brummt die Bude. Außen voll, innen voll, Hüften schwingen, Knie auch. Körper schwitzen, Gesichter strahlen, die Theke vibriert, der Boden eh. Samstagnacht eben, Disko, klar. Aber eine, die man nur kennt, wenn man sich auskennt. Eine nämlich, die ganz unauffällig vor sich hin funktioniert und das schon seit geraumer Zeit, die man gezielt aufsuchen muss, weil man garantiert nicht zufällig vorbei kommt. Eine, die noch dazu sowas wie ein Unikat ist, zumal in Süddeutschland: Das „Fogon“ im Klingenhof-Areal ist, zumindest sagen das die Gäste, weit und breit die einzige Diskothek, die auf lateinamerikanische Musik spezialisiert ist. Und befindet sich damit in einer Sparte Nachtleben, die mutmaßlich von der breiten Masse der Nachtschwärmer kaum wahrgenommen wird. 

Diejenige nämlich, die zum einen programmatisch fokussiert, zum anderen nach außen hin kaum oder gar nicht auftreten. Und davon gibt es viele. Sehr viele. „Als ich starten wollte, war der Gedanke: Wenn ich den Mainstream bedienen möchte, bin ich gezwungen, über den Preis zu gehen, um die Leute hier raus zu ziehen“, erzählt Marc Klages, der 2006 den zweistöckigen Club, in dem unter anderem früher mal das „Market“ beheimatet war, ins Leben rief. „Also hab ich ganz pragmatisch beschlossen, lieber zu versuchen, mich über eine bestimmte Musikrichtung zu etablieren.“ Hat funktioniert. Von vergleichsweise weit her komme das Publikum, aus München, aus Mannheim. Um im unteren Raum klassisch Salsa zu tanzen, beispielsweise, lateinamerikanisch-entspannt, erklärt Marc Klages, „nicht New-York-Style. Das sind die mit den aufgeknöpften Seidenhemden“, lacht er. Paare unterschiedlichster Couleur – und das auch im ganz wörtlichen Sinne – bewegen sich, niemand guckt komisch, weder aus noch andere an, „hier sind alle Kulturen eins“, wenngleich bei all der Buntheit freilich die Latinos zumindest zahlenmäßig überlegen sind. 

Wie in den vielen anderen Clubs und Diskotheken in Nürnberg und Fürth, die genau aus diesem Grund so gut funktionieren, findet man hier zusammen, ist verbunden über Nationalität und Kultur und gemeinsame Liebe für die gleiche Musik. Man muss ein bisschen gucken, ein bisschen suchen, um die anderen Läden dieser Art zu finden. Es ist eine lustig-unstete Szene, die durch die Stadt wabert, mal was aufmacht, mal wieder schließt, mal mit anderem Namen wieder kommt, mal an anderem Ort, gestern noch da, heute geschlossen. Es gibt türkisch gefärbte Clubs wie das Fürther „Mascara“ oder das Nürnberger „Locoom“, von dem man nicht recht weiß, ob’s vielleicht nicht doch grad anders heißt. Es gibt kreuz und quer durch die Gegend wechselnde, nationalitätenspezifische Veranstaltungen, orientalische Abende oder polnische, griechische Zentren und afrikanische, in denen die jeweiligen Kulturen die Nacht bestimmen wie im „Charly M“ am Kohlenhof, das sich jeden Samstag in eine durch und durch russische Diskothek verwandelt – so russisch, dass sich Pressebesuche  kurzerhand verbeten werden. Möchte der Chef nicht, bitte um Verständnis. Natürlich ... 

Im „Fogon“ ist jeder eingeladen. Das „relativ hohe Durchschnittsalter“ der rund 500 Besucher jedes Wochenende, sagt Marc Klages, habe sich einfach ergeben, wie insgesamt das Publikum, das sei gar nicht explizit so gedacht gewesen. Aber natürlich kommen sie wegen der Musik, die Latinos, die „dem Club den Flavour verleihen“ und nicht zuletzt dadurch alle anderen anziehen, die sich dann hinterher als sehr bunte Mischung tummeln, die so heterogen ist, dass es schon wieder nicht mehr auffällt. Unten klassisch gehalten, gibt es oben einen schweren, treibenden Mix progressiver Latino-Stücke. Dass es da knistert in der Atmosphäre, die spürbar erotisch, leidenschaftlich aufgeladen ist – kaum verwunderlich. „Ohne jemals aggressiv zu sein“, versichert Marc Klages. „Bei den Latinos geht es doch immer nur um Tanzen und Liebe.“