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Gemütlich bei den Tanten

Orte zu schaffen, an den denen es zugeht wie beim Verwandtschaftsbesuch – allerdings im besten Sinne. Nämlich gemütlich, betüdelnd und mit einer großen Prise Schlendrian war eine Idee, mit der sich die Noris Inklusion schon lang beschäftigt habe, so Tobias Braun, Assistent der Geschäftsleitung eben jener städtischen Einrichtung, die unter dem Banner „mittendrin & dabei“ seit über 30 Jahren Teilhabeangebote für erwachsene Menschen mit Behinderung schafft. Und wie das so ist mit mancher Saat, die lang im Boden schlummernd Kräfte sammelt, sind jetzt alle Pflanzen aufgegangen und sogleich voll erblüht: Seit diesem Jahr hat Nürnberg mit „Tante Noris“ am Markt, am See und im Park gleich drei gastronomische Einrichtungen, die sich ganz der Kernleistung der Inklusion verschrieben haben: Begegnungen zu ermöglichen und über den Austausch das Kennenlernen, das Verständnis und damit das Miteinander zu fördern. Das sowie die „entschleunigende Atmosphäre“ sowie das ausschließlich regionale Bio-Angebot eint alle drei Cafés. Von außen betrachtet könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Denn wo das kleine Herzstück in einer ehemaligen Papeterie am Hauptmarkt eher repräsentativen Charakter hat, lässt sich im Marienbergpark sogleich die Seele bräsig in der Sonne nieder. 
Hier integriert sich Tante Noris schnörkelvoll und kantenlos in die Naturerlebnisgärtnerei: Während innen gemütliche Bistro-Atmosphäre herrscht, ruhen sich Geist und Auge außen im schönsten Grün aus, das blüht und sprießt – und bei Gefallen auch erworben werden kann, dient doch der großzügige Sitzbereich gleichzeitig als Showroom für das, was die Noris-Gärtner kultivieren. Über den reibungslosen gastronomischen Ablauf wacht hier Ann-Kathrin Dupont-Lavadoux, eine von drei „Standortverantwortlichen“, die ihrem Café Stil und Herz verleihen – eine echte Tante eben. Die mindestens Burger-Freunden längst ein Begriff und „hier vollauf angekommen ist.“ Ja, sagt die 41-Jährige, zwar sei sie sofort begeistert gewesen vom Konzept, doch „zu Beginn auch flattrig“, gastronomisch zwar versiert, im Umgang mit Menschen mit Behinderung hingegen kaum erfahren. Das habe sich schnell gelegt, so die Dupont-La, die längst von „wir“ spricht und so an ihre besonderen Mitarbeiter gewöhnt ist, dass ihr gar nicht einfällt, die Besonderheit zu thematisieren – und damit selbst als personifiziertes Erfolgsziel funktioniert. 
„Man muss manchmal echt Geduld haben mit den Leuten“, mahnt hingegen Nazmiye Akpinar und lächelt nachsichtig. Die 27-Jährige kennt ihre Pappenheimer: Menschen, die es nach Kaffee verlangt und „denen es dann nicht schnell genug geht. Dann werden die motzig.“ Motzig, weil Nazmyie Akpinar vielleicht noch einmal nachfragen muss, was gleich wieder die Bestellung war, oder überlegen, wie das ging mit dem Milchschaum. Dabei ist die junge Dame Profi, hat schon im Waldcafé in Tennenlohe gearbeitet und setzt sich auch in Nürnberg überall dort ein, wo sie gebraucht wird. Das ist ein gutes Gefühl – das aktuell neun gastronomische „Praktikanten“ kennenlernen. Die haben ganz normale Aufgaben und Achtstundenschichten, allerdings auch eine Sozialarbeiterin, die sich im Hintergrund behutsam darum kümmert, dass es den Leuten an der Thekenfront nicht zu viel wird. 
Denn es gibt viel zu stemmen: So unterschiedlich die drei Tanten, so variabel auch das Angebot. Während man sich am Markt auf Geschenkartikel und Snacks beschränkt, gibt es im Park eine wechselnde Vielfalt an Getränken, frischen Kuchen und Broten, gelegentlich auch warmen Speisen. Am See hingegen trumpft die große Küche auf. Das zuletzt eher stiefmütterlich behandelte Restaurant im „Wastl“, dem Sebastiansspital am Wöhrder See nämlich ist die dritte im „Dreiklang“ der Noristanten, die mit 80 Sitzplätzen als größter Laden echten Restaurantcharakter hat – und freilich „mit dem Thema See spielt“ (Braun). Kinderleicht, blickt man von den Stufenterrassen doch neben einem kunterbunten Wirrwarr aus Mahnungen ans respektvolle Miteinander doch vor allem auf Radler, Spaziergänger und glitzerndes Wasser. Während die schlichte Einrichtung innen wie außen nur eine behutsame Modernisierung erfahren hat, trumpft die Karte hier mit Sandwich Ziegenpeter (4,90) Euro, Schäufele Burger oder Fish & Chips (8,90 Euro) auf, mit Wildkräutersalat (7,90 Euro) und trotz Tagescaféstatus neben Heiß- und Softgetränken auch Wein- und Bierspezialitäten. 
Doch auch hier gilt: regional, saisonal, Nachhaltigkeit – und dem Servicepersonal mit aufgeschlossener Geduld begegnen. „Ich habe die große Hoffnung und aber auch den Glauben“, sagt Tobias Braun, „dass die Leute es hier schön finden, aber nicht ungewöhnlich. Es ist einfach ein Restaurant mit speziellen Menschen.“ Denn was für die Mitarbeiter der eigens gegründeten Gesellschaft „Noris Gastro“ gilt, dürfen sich gern auch die Gäste zu Herzen nehmen: mit einem hohen Maß an Empathie Fähigkeiten und Kompetenzen zu erforschen und gemeinsam einen großen Schritt zum besseren Miteinander gehen. Drei Noristanten in so kurzer Zeit – Ende 2018 am Markt, April 2019 im Park, Juni dann schon See – soll in diesem Tempo weitergemacht, der Grundstein für eine stadtweite Systemgastronomie gelegt werden? „Nein gar nicht“, versichert Tobias Braun und berichtet, dass die Eile nur den sich unvermittelt geboten habenden Gelegenheiten geschuldet war. „Wir wollen uns jetzt konsolidieren und das Projekt in eine sichere Zukunft führen.“ Ganz in Ruhe, ganz gemütlich. Wie bei einer netten Tante eben. 

Tante Noris am Markt (Hauptmarkt 18), im Park (Braillestraße 27), am See (Veilhoferstraße 38), ÖZ je Standort variabel, Kontakt und Infos unter noris-gastro.de