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Oper fürs Volk: Die Pocket Opera Company

Sie hat einen elitären Dünkel, findet meist hinter so hohen wie verschlossenen Türen statt und birgt die Gefahr, als Kunstform zum Selbstzweck zu werden: Die Oper, befanden Mitte der 1970er Jahre zwei rührige Künstler, müsse den musealen Staub abwerfen und der Bevölkerung zurückgeben werden. Nur, was tun, wenn die Bevölkerung nicht zur Oper kommen mag? Ganz einfach: Man bringt die Oper zur Bevölkerung. So tut es die „Pocket Opera Company“ seit 45 Jahren – und begibt sich anlässlich des 100. Geburtstag des Nürnberger Frühlingsfestes zurück zum bevölkerungsnähsten Event des Jahres. „Die Taschenoper“, weiß Franz Killer, studierter Dirigent und seit 2007 als musikalischer und künstlerischer Leiter der Gruppe verpflichtet , „war schon zur Jahrhundertwende beispielsweise in England üblich.“ Die Medien waren noch nicht so richtig erfunden, also führte man die großen Opern der Zeit in Wirtshäusern auf und dem Volke nah an die Nase heran und in der Nachbarschaft herum. So wollten es auch 1974 auch David Seaman und Peter B. Wyrsch wieder haben, und gründeten mit viel Elan das opernstudio nürnberg e. V. – und damit Deutschlands ältestes freies Musiktheater. „Die Leute“, erzählt Franz Killer von der Zeit, als auch Kulturläden und Kleinkunstbühnen entstanden, „wurden schnell neugierig“ und Formen gefunden, Inhalte angepasst zu transportieren und „große Opern klein zu machen“, komprimierte, konzentrierte Fassungen zu schaffen – und das epochale Drei-Tage-Werk des „Ring der Nibelungen“ an nur einem Abend auf die Bühne zu bringen. „Eine wichtige Aufgabe der POC“, wie Franz Killer sein Ensemble streichelnd nennt, „ist es, Brücken zum Opernhaus zu bauen.“ Denn so manch einer, der sich niemals zur offiziellen Spielstätte gewagt hätte, findet dank des kleinen Schnupperkurses dann doch den Weg hinein, lässt sich mitreißen und begeistern von diesem ganz besonderen Erlebnis, das die Pocket Opera Company bietet, deren wichtigstes Merkmal ist: kein eigenes Haus, keine eigene Bühne zu haben – sondern sich verschiedenstes Räume, Architekturen, Örtlichkeiten zunutze zu machen, zu zweckentfremden und als Bühne zu unterwerfen. Drei Etagen eines Möbelhauses wurden so schon zum Opernhaus, Diskotheken, Maschinenhallen, Schwimmbäder oder fahrende Busse – „wo auch immer wir auftreten, versuchen wir, eine Verbindung zum Raum herzustellen, die Impulse aufzunehmen, die der Ort uns gibt und mit denen die Inszenierung beeinflusst wird“, so Killer, der gemeinsam mit Dramaturg Florian Reichert Orte und Stücke (be-)sucht – und dann gemeinsam mit einem unterschiedlich großen Ensemble fester und freier Künstler sich an die Erarbeitung macht, die freilich nicht vor Ort, sondern ganz unprätentiös im prall gefüllten Requisitenkeller der POC-Basisstation stattfindet. Dass vor fünf Jahren schon einmal das Volksfest Spielort wurde, war „reiner Zufall“, erinnert sich Franz Killer – und aber auch, wie groß der Reiz des Unvorhersehbaren war. Denn wenn wie auch am kommenden Sonntag auf den Spuren des berühmtesten Gangsterpärchens der Welt Bonnie & Clyde gewandelt wird, wenn wilde Schießereien und halsbrecherische Fluchtszenen gibt, so geschieht all das bei ganz normal laufendem Volksfestbetrieb – und das bedeutet unter anderem, dass unbescholtene Besucher, sich plötzlich inmitten der Szenerie wiederfinden können. Denn „Shooting Stars“ macht sich gleich ein ganzes Karree zur Opernkulisse: Verfolgungsjagd im Autoscooter, Chorgesang im rotierenden Breakdance – „wir nutzen, was da ist, und bringen die Oper rein“, so Killer, der sich wünscht, dass „die Besucher sich einfach rantrauen, Oper ausprobieren und im besten Fall Gefallen daran finden, dass Oper nicht steif sein muss, sondern ziemlich spielerisch sein kann.“ Die Gelegenheit ist mehr aus außergewöhnlich günstig – und das in jedem Sinne: Die Darbietung ist selbstverständlich offen und kostenlos.

Pocket Opera Company „Shooting Stars“, Sonntag, 5. Mai, 11 & 12 Uhr; Treffpunkt: Festzelt Papert, Westseite Volksfestplatz; Dauer ca. 40 Minuten, Eintritt frei!

pocket-opera.de/