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Apostile

Kulminarisch: Eis!

 „Und jetzt holt dir die Oma mal ein Eis!“ Magische Worte, die in klitzekleine Ohren prasseln, die an einem klitzekleinen Kopf hängen, in denen sich ein klitzekleines Gehirn befindet und das sogleich im besten Pawlow’schen Sinne den Befehl auslösen: Sei glücklich und sabbere! Das Kind also sabberte glücklich vor sich hin, derweil die Oma ihm das versprochene Gut beschaffte. „Aber nimm Schokolade!“, rief ich hinterher, „das ist wichtig, damit man hernach auch sieht, was man geleistet hat!“ Minuten später war das Kind in cremigen Kakao getaucht, es tropfte und troff und gluckste und verteilte klebrige Handabdrücke auf Omagesichter und Tantenschuhe. So muss das sein. Wann immer ich einem Zwerg begegne, der in der Sänfte transportiert wird oder auf Schultern galoppiert und der vom Scheitel bis zur Sohle in schokoladiges Glück gebadet ist, bricht mir ein wenig der Neidschweiß aus. „Ich will“, sag ich dann manchmal laut, „auch wieder so sein.“ Hinein mit dem Gesicht in die monströse Zuckerkugel. Für den Effekt müsste Eis jedoch heute freilich in anderen Einheiten gereicht werden, etwa Fußballgröße. Das gibt es leider nicht. Dafür gibt es anderes. Seit einiger Zeit gilt eine Eisdiele nur was, wenn sie möglichst unmögliche Dinge zu cremigen Kreationen vermengt. Zuweilen mag das gelingen, und ich habe nichts gegen Joghurt-Himbeere, Toffifee oder Rum-Trüffel, wirklich nicht. Bei Kaffee war ich schon immer schwierig, gehört der doch in die Tasse, mit Not auch in ein Tiramisu, aber dann soll’s auch gut sein, und als ich vor Urzeiten im Sommer mal auf ein Lebkuchen-Eis gestoßen war, war ich zwar im Zwiespalt, weil bitte: Lebkuchen ist Winter und Eis Sommer, glasklar, das wird sich gefälligst nicht vermischt, am Ende aber höchst zufrieden. Mit Verve verfechte ich auch Sorten, bei denen anzunehmen ist, dem Koch sei einmal das Gewürzregal ins Sahneglas gefallen, so dass hernach Basilikumgeschmack im Vanille landet wie beim kleinen „Dolomiddi“ oder bei der versehentlichen Würzung von Gurkensalat mit Zucker statt Salz und einer nachfolgend versehentlichen Gefrierung eine Geschmacksentdeckung gemacht worden ist, seh ich schon auch noch ein. Aber gelegentlich wird’s problematisch. Beim Biereis, da hab ich schon gezuckt, weil das hab ich auch schonmal gemacht, versehentlich nämlich ist eine Schnellkühlaktion eskaliert und hat mit Biereis und Glasscherben ein ganzes Gefrierfach dekoriert. Verrückt wird’s, wenn du nach dem Studium der Eiskarte noch einmal vor den Laden trittst und dich versicherst, dass du noch bei Giorgios und nicht versehentlich im Fünf-Sterne-Restaurang gelandet bist. Kastaniensorbet mit Rosmarin und Pinienkernen? Danke gerne, ich nehm dann noch ein Glas Rotwein und vom gerösteten Focciaca dazu. Erdnuss-Bretzel? Sicher, und dann noch eine Kugel Weißwurstsenf. Vanilleeis mit Kohle? Warum nicht, das ist wahrscheinlich gut für den Darm. Irgendwie. So geht das dann weiter. Zuletzt hab ich eine Diele angerufen, die kündete, wir haben’s mitbekommen, von der Entdeckung des „Schäufele-Eis“ und mich freundlich erkundet, ob es sich hierbei um einen Scherz handele. Nein, beschied man mir im „Eis im Glück“, man habe auch schon mit Pizza und Sriracha große Erfolge gefeiert. Am Ende hab ich mir ein Big Sandwich geholt. Gelb-rosa-braun mit gatschiger Waffel, schön für Einsfuffzich an der Tanke. Schmiert sich übrigens auch versehentlich sehr gut ins Gesicht.