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Apostile

Die Partykolumne - Wiesenliege

Kinners, nehmt mir den Mantel ab! Helft mir aus den Schuhen, bettet mich auf eine Schäselonge, reicht mir einen Drink, krault mich hinter den Ohren, wedelt mit der Palme! Ich habe soeben Übermenschliches vollbracht. Das ausnahmsweise mal nichts mit der Coloration dieser recyclinggrauen Zeilen hier zu tun hat. Naja, nicht direkt zumindest. Also das war so: Seit Anbeginn meiner Zeitrechnung, also in etwa seit dem Pleistozän, durchlaufe ich Jahr für Jahr die selben zwangshandelnden Phasen. Viele davon kennt ihr noch nicht, ein paar jedoch sehr wohl, eine weitere geselle sich sogleich hinzu. Jedes Jahr im frühsten Frühling, sprich draußen Minus 20 Grad aber der schlaue Discounter weiß die Jahreszeiten und Begehrlichkeiten frühzeitig zu wecken, aber nicht mit mir, da muss er nämlich schon früher aufstehen, hab ich alles längst durchschaut. Also deswegen preist der Jahrmarkt der Begehrlichkeiten allerlei Sommerutensil an, von dem du dir wenn du ganz fest die Augen zusammenpresst und alles andere auch und dann dolle drückst vorstellen kannst, dass du es jemals ganz vielleicht auch besitzen musst. Ich mein, innen Lammfellsohle und Kamin und Jagertee, da kannst du dir grad nicht gut imaginieren, wie das gleich wieder sechs Monate später sich so anfühlt. Oder halt nur ich kann das nicht, mag auch sein. Das hat zur Folge, dass ich in jedem Jahr erneut mit schmerzumflorten Blick und ein bisschen grünem Schluckauf am Badesee ankomme. Derweil ich nämlich Rucksäcke, Picknickkörbe und Spielzeug mit meterlangen Armen an den Strand schleife oder wenn nicht das Zubehör, so schon die Verantwortung trage, rollen fröhlich pfeifend widerliche Menschenwesen an mir vorbei, die im Besitz dessen sind, was ich Monate zuvor noch strikt verweigert hab. Nämlichst: eine portable Strand- und Transportliege, wer braucht sowas schon. Im Januar. Im August dann doch sehr wohl, doch leider hat der Jahrmarkt längst den Sortimentswechsel vollzogen und schwört die Gemeinde auf ein baldiges Weihnachten ein. Ich changiere also in den kommenden Wochen zwischen Hass und Gier, tue mein Seelenunwohl stetig kund und habe den Schmerz bis zum kommenden Jahr alsdann gänzlich vergessen. Es beginnen denn die Spiele von vorn. Nun hat’s eine wichtige Sozialperson scheint’s leid gehabt und mich freundlich aufmerksam gemacht auf ein spätes Sonderangebot. Ecce homo! Ich im Wahn: Anfragen verteilt, Flugzettel, Bestelllisten, Halluzinationen vom künftigen Einmarsch der Reisegruppe „Transportliege“ und großflächigem Neid außenrum. Zwei Wochen später klingelt die Post. War ich nur leider nicht daheim, sagte sie zumindest und trug zu ihrem großen Bedauern zwei Zentner Paket lieber aufs Amt statt zu mir hinauf. Ich hinterher, den Bandscheibenvorfallsvorwurfsblick der Poststellentante ignoriert, hurtig einen Jungmann zum Kofferraumtransport charmeurt, aus dem Großpaket ein Teil herausoperiert, nach oben gezurrt, um planmäßig nach eiliger Hinrotzung des Sofas mich von diesem auf die Liege zu begeben. Und dann das! Hab ich nicht plötzlich lauter einzelne Trümmer in der Hand und soll die jetzt selbst zusammenbauen?! Kurze Ohnmacht, erster Blick in die Anleitung, erneute Ohnmacht. Dann Selbstdisziplinierung. Schweiß. Blut. Fingereinklemmproblematik. Kurzum: Ich hab’s freilich geschafft. Liege deswegen jetzt in äußerst entspannter Haltung auf dem Wohnzimmerbeinaheboden und tippe Sofa auf dem Bauch. Benötige Personal, das mich zum See schiebt. Oder hierhin: „Abrakadabra“ (Rakete, Vogelweiher), „We want Revenge“ (Cult, DooserStr), „Indiefreitag“ (Stereo, Klaragasse) oder morgen „3 J Wehende Fische“ (Desi, Brückenstr), „Monsters of Jungle“ (Z-Bau, Frankenstr), „Cr3wlove“ (ebd.), „Ü30 House Edt.“ (T90, Flughafen), „DJ Duel“ (Stereo), „Why so serious“ (Rakete). Ich lass‘ auch krachen, nämlich am See. Die Liege zusammen. Seid nett und helft der alten Frau wieder hoch!