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Apostile

Die Partykolumne - Sonnencreme

In letzter Zeit war ich vergleichsweise oft beim Baden. Das hat weniger etwas mit dieser Hitze zu tun, von der immer alle sprechen und die mir als altem Südländer kaum etwas anhaben kann. Ich leg mich einfach in die Sonne und gleiße mit ihr um die Wette, quasi Reflektor. Außerdem können Wetterdienst, Klimarat und Kachelmann so viel reden, wie sie wollen – solang ich mich nicht über teure Sonntagssemmeln aufregen muss, schmeckt doch das neue deutsche Dolce Vita ganz hervorragend, und wenn statt Rasen Oregano und Thymian den Garten begrünen, dann riecht’s halt auch noch gut. Manchmal robb ich auch zum Beckenrand und lass meine Beine ins Wasser baumeln, wobei es geschehen kann, dass die Chemie mir ein Schnippchen schlägt und ich ins Becken hineingesaugt werde, wegen Hydrophilie, stellt sich doch heraus, dass ich eine Kamelartige bin, die Wasser zwar nicht in Höckern, dafür aber in den Beinen speichert. Schuld am Müßiggang ist der arbeitslose Pöbel in meinem Umfeld. Studenten, Mütter, Lehrkörper, die halt alle nichts zu tun und dafür keine adäquate Begleitung haben, die rufen dann nach dem Freiberufler, weil der kann ja nachts arbeiten, das tut ihm auch gut, hat’s da doch nur noch kühle 30 Grad. Das seh ich freilich ein und folge den Rufen. Solcherart zur Fäulnis verdammt muss man reichlich beobachten und dabei denken. Beispielsweise denke ich viel über Tätowierungen nach und ob der Herr mit dem vertikalen chinesischen Schriftzug schon mal hat prüfen lassen, ob sich dahinter wirklich Konfuzius Weisheit und nicht vielleicht doch eher einmal Hühnchen süß-sauer mit extra Reis verbirgt. Auch lockt es mich, die Menschen mit den sehr individuellen lateinischen Inschriften auf dem Leib (ganz vorne mit dabei: Omnia vincit amor, VeniVidiVici und, ja wirklich, Carpe diem!) zu ihrem Schriftzug zu befragen, interessiert den Ausführungen zu lauschen um mich anschließend als kritische Lateinlehrerin zu erkennen zu geben, die die korrekte Grammatik sowie die Aktualität Vergils Ekladen im gesamtpolitischen Weltkontext diskutieren möchte (für Klugscheißer: Das mit dem Amor geht weiter „et nos cedamus amori“, Bucolica 10,69). Außerdem biete ich hiermit fünf Euro für denjenigen, der sich „Hokus pokus fidibus“ aufs Dekolleté stechen lässt! Deal! Weiters erläutere ich gerne die eindeutig belegte Tatsache, dass im Poolwasser eine Chemie mit drin ist, die selbst beim kleinsten versehentlich inkontinierten Tröpfchen eine sofortige Grünfärbung des umgebenden Areals zur Folge hat und freue ich über schreckgeweitete Augen und fleißiges Toilettieren der Mitgänger. Auf eine große Frage der Menschheit weiß jedoch selbst ich noch keine Antwort: Wir fliegen zum Mond. Wir transplantieren Herzen. Wir zähmen HIV. Wir haben den Nicer-Dicer, fluoreszierende Farben, Nachtsichtgeräte, Alexa, Schlumpfeis und selbstkühlende Fässer. Warum in Dreiteufelsnamen haben wir nicht endlich einen Sonnenschutz, den man so auf sich hinauftun kann, dass nicht hinterher entweder der Liegenachbar statt einem selbst benetzt ist, man nicht hinterher fünf Minuten mit Spezialhandwerkerpaste Händewaschen muss wie bei der schönsten Grippeepidemie und überhaupt sich selbst und sein Hab & Gut im Anschluss vier Stunden in eine Seifenlauge tun? Ich kam, sah und ging wieder: „Go 90s! Go“ (Stereo, Klaragasse), „Ufo“ (Rakete, Vogelweiher), „Pink Terminal 90“ ( Flughafen), „Depeche Mode & More“ (Cult, Dooser Straße) und am Samstag „KV-Straßenfest“ (Z-Bau, Frankenstraße), „CSD Abendparty“ (Hirsch, Vogelweiher), „Die Macht der Nacht 2.0“ (Cult), „Take Off 90s, 2000er & More“ (T90), „Indie Open Air Aftershow Party“ (Stereo) und keine Ahnung was noch. Dabei fällt mir ein: Wenn man wenigstens in die Sonnendings ein bisschen Fluoreszierung mischen könnte, dann hätte man wenigstens in der Nacht auch noch was davon, dass man es nicht abwaschen kann.