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Apostile

Die Partykolumne - O du fröhliche ...

Es ist stille Nacht, heilige Nacht. Im Haus duftet es nach Maronen und Braten, die Kinder spielen friedlich unterm Baum, ein jedes haucht einer anderen handgeschnitzten Holzfigur Leben ein. Papa schaukelt friedlich Gedichte rezitierend im Stuhl, während draußen leise der Schnee rieselt und Mama liebevoll das Haar der Tochter bürstet. So schön, so harmonisch. So theoretisch. Weil bitte, wo sieht denn ein Weihnachten so aus außer ganz vielleicht in einem sehr, sehr seltsamen Bilderbuch? Eben. In Wahrheit ist das nämlich, und da müssen wir uns überhaupt nichts vormachen, folgendermaßen: Das einzige, was rieselt, sind die Nadeln von dem Baum, den man sich wegen auf den letzten Drücker hat andrehen lassen. Im Haus duftet es sehr wohl, allerdings nach Feuerzangenbowle und Glühwein und so ziemlich allem, was man eilig angereicht hat, um möglichst  bereits vor der Kindermesse einen kleinen Schwips zu haben, um das unsägliche Krippenspiel eben so heiter durchzustehen wie den Umstand, dass Herr M. wie seit Anbeginn der Zeit in der ersten Reihe nicht sehr schön, dafür aber schön laut singt. Beim Austeilen der Speisen daheim beginnt sogleich ein erbitterter Kampf der freilich längst erwachsenen Kinder, die in alter Tradition unter steter Benachteiligungs- und Verhungerungsangst leiden, derweil die Mutter tobt, dass die Küche eh immer schon zu klein war, was aber nur dem Umstand obliegt, dass sie wegen Vorgenanntem stets doppelt so viel wie erforderlich zu kochen pflegt. Der Vater hat sich heimlich in den Flur verkrümelt, um noch eilig die letzten Sonderangebotspreisschilder von den Gaben zu knibbeln, während ein anderes Kind seit Stunden nicht gesehen ward. Nach längerem Suchen findet man es ausgezehrt und mit den Nerven am Ende im elterlichen Arbeitszimmer, wo es vergeblich versucht, Mutters neuen Drucker ans Wlan zu bringen, während einem weiteren Kind eingefallen ist, dass es im Keller doch noch sein altes Schlagzeug stehen hat, woraufhin der Vater lieber mal das festliche Radio lauter dreht, damit dann auch die Nachbarn was von der schönen Musik haben. Nachdem unter großem Gewese und unter Zuhilfenahme ebensolcher Gesten mindestens drei Weihnachtsgeschichten, die allen Anwesenden bis dato freilich völlig unbekannt waren, vorgelesen wurden, entdeckt das nächste Kind seine ungebrochene Liebe zum Klavier und sogleich die restliche Familie die zum Gesang, der begleitet wird von allem, was die hauseigene Kapelle so hergibt. Zwischendurch wird freundlich dem Nachbarn gewinkt, der anscheinend was mit den Ohren hat. Also spätestens jetzt. Nach mehrmaligem Durchexerzieren des kompletten internationalen Weihnachtsliedgutes entbrennt erst ein Streit ums Gesellschaftspiel der Wahl und anschließend einer um den rechtmäßigen Gewinner, bei dem es sich, komme was wolle, keinesfalls um den Vater handeln darf, denn der hat eh immer schon geschummelt. Vergeblich versucht die Mutter zu schlichten und durch Anreichen von garantiert leichten Nachtischen und teuren Weinen den Weltfrieden wiederherzustellen. Zweimal werden wir noch wach, heissa dann ist Weihnachtstag! Ich freu mich wahnsinnig! Und hoffe wirklich, dass ihr auch ein friedliches, glückliches und gesundes Weihnachtsfest habt und ein paar ruhige, zufriedene Tage – die meinethalben ausnahmsweise gerne mal weitestgehend auf dem Sofa verbrach werden dürfen. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten, Halleluja und Habe die Ehre!