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Heimwerker-Abend "Frauenpower"

Selbst ist die Frau, na klar. Das heißt aber nicht, dass jede Frau so selbst ist, dass nicht hier und da ein kleiner Nachbesserungsbedarf besteht. Zum Beispiel, wenn’s ums facettenreiche Thema „Heimwerken“ geht. Wer nicht einen Papa hat, der einen im frühen Kindesalter zwingt, das Baumhaus zwar unter Anleitung, aber schön brav selbst zu bauen, oder Brüder, die natürlich assistieren beim Flicken der Fahrradreifen, aber eher mit Rat als Tat, der hat hier und da womöglich gewisse Defizite. Dem entgegenwirken zu wollen hat sich das Unternehmen BayWa auf die Fahne geschrieben – und richtet einmal jährlich mit „Frauenpower“ einen Schulungsabend nur fürs weibliche Geschlecht aus. „Selber Hand anlegen und gefordert werden“ sollen die Teilnehmerinnen, sagt Marktleiter Werudin, der die Damen zum bereits zehnten Mal im BayWa-Baumarkt in der Kilianstraße begrüßt. Ungefähr 130 Interessierte haben sich nach Anmeldung eingefunden, um an 22 Stationen quer durch die Halle von „Fahrradreparatur Tipps und Tricks“ über „Einfache Bedienung mit Elektrowerkzeug“ und „Moderne Wandgestaltung“ bis „Grillgeräte und Zubehör“ Fähigkeiten zu vertiefen oder überhaupt zu erlangen. So wie Sabine, Simone und Ingrid; drei Freundinnen um die vierzig, die mit unterschiedlichen Motivationen hergekommen sind. Selber machen können, unabhängig sein, beispielsweise von der Fahrrad-Werkstatt, ist eine davon. Oder pragmatischer: Sich gerade ein Häuschen bauen und den Garten selber anlegen wollen. Weil „ich mehr Freude daran habe, wenn ich das selbst geschafft habe“, sagt Sabine. Ungefähr hier siedelt Werudin auch die Erklärung dafür an, weshalb der Großteil der Anwesendinnen im Alter jenseits der 40 sind. „Die Jüngeren wohnen doch alle noch im Hotel Mama. Frauen über 40 verfügen eher über Eigentum, an dem sie dann auch herumbasteln wollen.“  Und das könnten sie eben dann am besten, wenn die Kerle mal Pause haben. „Frauen sind im Großen und Ganzen offener und lernbereiter als Männer – aber nur, wenn letztere nicht dabei sind und keine Gefahr besteht, ausgelacht zu werden.“ Gelacht wird wahrlich nicht, es sei denn, aus Freude am Gewerke oder über die nie versiegende Prosecco-Quelle, die den lehrreichen Abend gemeinsam mit einem reichhaltigen Schnittchen-Buffet flankiert. Nachdem das geplündert ist – erstmal stärken vor den bevorstehenden Arbeiten! – strömen die Damen aus. An jeder Station, die diskret den Fokus auf im Baumarkt erhältliche Produkte lenkt, stehen geduldige Profis bereit, die zeigen, erklären, anleiten. Wie man so eine Dichtung richtig wechselt, ohne hernach die Küche geflutet zu haben. Wie man ordentlich verputzt, richtig verfugt, lustige bunte Muster an die Wand bringt oder selbige tapeziert, wie man Wohlfühl-Insektenhäuschen baut, Obstbäume richtig schneidet, Gartenwerkzeuge bedient, wie der Stoffwechsel der Pflanzen eigentlich so funktioniert und neben der korrekten Bedienung des Weber-Gasgrills „vor allem auch, wie das dann schmeckt“, sagt der Grill-Lehrer und schneidet Würstel in Häppchen, mit denen man dann zu Station 6 schlendern kann: Weinprobe gibt es auch. Irina (48) und Tochter Vanessa (18) waren letztes Jahr schon hier, das hat ihnen gut gefallen, und weil gerade das Haus gebaut wird, möchte Irina gerne lernen, wie man Laminat verlegt, und schließlich „kann ich hier nichts kaputt machen“, preist sie die Vorzüge der Veranstaltung. Kaputt geht das „Multitool“ entgegen der Versprechungen, es würde sich hier um ein unzerstörbares, dem Nudelholz nachfolgendes „Lieblingsgerät einer jeden Frau“ handeln. Im Kampf „Nagel gegen Sägeblatt“ unterliegt letzteres, aber das gehört halt auch dazu. Wie für die ein oder andere Dame dann doch männliche Begleitung. „Weil er mich später ja schließlich unterstützen muss“ hat Jutta (62) Sohn Philipp (23) eingeschmuggelt und findet es „toll, dass man hier so viel Zeit hat und keine Frage als dumm empfunden wird.“ Ein anderer Herr sitzt geduldig auf den Biergarnituren, an denen sich manche Gäste mehr verlustieren als an der Bohrmaschine. „Kein Problem“, meint Werudin, „der ist mit drei Frauen da und deren Fahrer. Aber Männer, die nerven, müssen gehen.“  Gar nicht genervt: Eine quietschfidele Dame, die mit großem Interesse an jeder Station den Ausführungen lauscht. „Weil’s mir Freude und Spaß macht“, sagt sie und verrät ein stolzes Alter: 106 Jahre. Bis spät in den Abend hinein geht die Frauenpower-Kirmes, „bis die letzte Dame geht“. Oder das letzte Lachsbrötchen verschwunden ist.