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Apostile

Die Partykolumne - Mantelteile

„Vielleicht“, sprach ich dieser Tage zu mir, „muss die Geschichte von Sankt Martin und seiner ehrenhaften Heldentat nochmal überdacht werden.“ Ich saß am Hauptmarkt. Um mich herum bauten eifrige Menschen wirklich sehr eifrig die Buden des Christkindlesmarkt auf – soweit nichts besonderes, kann man doch den Startschuss zum stadtweiten Glühweinbesäufnis nicht nur sozusagen schon hören, sondern insofern auch sehen, als bereits alles, was im Besitz einer Straßenverkaufstheke ist, diese längst entsprechend plakatiert hat. Während also hier ein Mammuttannenbaum aufgestellt wurde und dort ein Strohstern verteilt, schwitzte auch ich wie der sprichwörtliche Elch. Der leichte Übergangsmantel war mindestens eine Schicht zu viel, der Schal auf jeden Fall, die Sonne schien als gäb’s kein Morgen und spontan stand mit der Sinn nach Strandkorb und Caipirinha. Während ich so vor mich hin sonn(te), fiel mein Blick nach links. 

Ich stutzte. „Dem Touristen graut’s aber auch wirklich vor gar nichts“, dacht ich, schließlich stand neben mir eine Reisegruppe unübersehbar militäramerikanischen Ursprungs, von deren Teilnehmern eine Dame in TShirt und Flipflops unterwegs war und die – ja was eigentlich? Klamm werden sie kaum gewesen sein! – Hände an einen Becher drückte, dessen empörende Form zweifelsfrei auf den Inhalt schließen lässt. Jetzt kann man sagen, gut, der Touri, der denkt sich, „wenn ich schon mal hier bin in diesem Irrsinnsweihnachtsnürnberg, dann muss ich jetzt schon auch das trinken, was der Marco Polo mir so vorschreibt“. Dann geht er heim und erzählt allen, dass die spinnen, die Nürnberger, da hat’s 20 Grad und man säuft pappsüßes Heißzeug. Jedoch: In der ausschenkenden Lokalität saßen noch sehr viel mehr Menschen, die dem Gesöff bereits unübersehbar zugesprochen hatten und deutlich hiesiger Abstammung waren. 

Da will man dann doch hinfragen, ob’s denn vielleicht irgendwo fehlt im Kopf, aber das will man ja auch gern jedesmal, wenn man am Vapiano vorbeigeht und da wirklich Gäste sitzen sieht. Also der Sankt Martin jedenfalls, oder besser: der Bellzärmäddl, dacht ich mir, der kann ja leicht seinen Mantel teilen, wenn’s da damals genau so global erwärmt war wie heut. Da tät ich auch  meinen Mantel direkt teilen, und wenn dafür die Heiligsprechung winkt, tät ich ihn auch zerschneiden mit meinem Flammenschwert, auch wenn’s mir schon arg bluten würd, das Herz. Möglicherweise aber liegt auch ein Übersetzungsfehler vor, und der Maddin, der hat nicht geteilt gegen Kälte, sondern gegen Hitze, weil Sonnencreme gab‘s da ja wohl eher noch nicht, in diesem 1. Jhdt. n. Chr. Andererseits ist jetzt der Norden Frankreichs auch nicht direkt bekannt für seine tropischen Temperaturen, dafür aber dieses Ungarn, wo er herkam, der Martin. Hat er sich vielleicht vertan in seinem jugendlichen Leichtsinn. Mir auch egal. Ich will keinen Glühwein. 

Bitte. „Confused“ (Zentralcafé, Königstraße), „Querbeat“ (KK, ebd.), „Pon di Attack“ (Nano, ebd.), „God save the Queen Tour (Stereo, Klaragasse), „Bloody Dance Night“ (Cult, Dooser Straße), „The Factory“ (Roter Salon, Frankenstraße), „Kobito x Image Ctrl“ (Desi, Brückenstraße), „Abrakadabra & Wss pres. Paganini, Answer Code Request u.a.“ (Hirsch & Rakete, Vogelweiherstraße), „Sputnik“ (Mitte, Hallplatz). Und am Samstag müssen wir schon wieder trauern. Um den Winter. Oder den Glühwein. Oder die zu wenigen Bierstände auf dem Christkindlesmarkt. Oder den zu Unrecht verunglimpften Martin.