Calisto Ribeiro ist Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation ORAM und für die Provinzen Nampula und Cabo Delgado zuständig. ORAM unterstützt zahlreiche Bauernvereine bei der Sicherung ihrer Landtitel und Landrechte. Auf Einladung der deutschen Partnerorganisation INKOTA besuchte Ribeiro Berlin und die Klimakonferenz in Bonn. Mit Ribeiro sprach für »nd« Katharina Schwirkus über Projekte von internationalen Firmen in Mosambik und Herausforderungen durch den Klimawandel.
Zum einen nahm ich als Vertreter der "Panafrikanischen Klimagerechtigkeitsallianz" (PACJA) teil. Die Konferenz gab uns die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches der 35 Mitgliedsländer von PACJA. Klar ist: Der Klimawandel trifft uns in Afrika besonders. Auf der anderen Seite habe ich aber auch die Interessen meines Landes, Mosambik, vertreten. Aufgrund des Klimawandels und dem Treiben großer Unternehmen in Mosambik herrscht in großen Teilen des Landes Land- und Wasserknappheit.
Welche Probleme beschäftigen Sie in Mosambik ganz akut?Große Bergbauunternehmen aus China, Brasilien und Australien haben in vielen Bereichen Mosambiks bereits für eine zunehmende Wasserknappheit gesorgt.
Die wird durch neue norwegische und portugiesische Projekten, bei denen Eukalyptus angebaut wird, verschärft. Für den Anbau von Eukalyptus benötigt man ebenfalls viel Wasser. Außerdem werden riesige Flächen Land gebraucht. Bei der portugiesischen Firma handelt es sich um Portucel, das für seine Projekte in Mosambik sogar finanzielle Unterstützung von der Weltbank erhält. In diesen Gemeinden wurde die Bevölkerung nicht von Portucel über den Eukalyptus-Anbau konsultiert, wie es unsere Verfassung eigentlich vorsieht.
Wie konnte die Firma dann mit dem Projekt beginnen?Sie hat unsere Gesetze umgangen, indem sie sich den Landrechttitel von der Regierung in der Hauptstadt Maputo geholt hat, anstelle zunächst die lokale Gemeinde und Kommunalregierung zu konsultieren. Es geht hierbei um eine Fläche von 200 000 Hektar.
Welche konkreten Auswirkungen hat der Eukalyptus-Anbau auf die Gemeinden?
Mit falschen Versprechen nimmt Portucel den Gemeinden ihr Land ab. Die Eukalyptusplantagen breiten sich schnell aus, was dazu führt, dass die Bauern inzwischen nach jetzt fünf Jahren, die Portucel seine Projekte umsetzt, keine eigenen Landflächen mehr haben, auf denen sie ihrer Subsistenzwirtschaft nachgehen können.
Wie hilft die Nichtregierungsorganisation ORAM den betroffenen Gemeinden?
In erster Linie beraten wir die Menschen, was sie tun können. Es geht dabei vor allem um die Aufklärung über ihre verfassungsrechtlich festgeschriebenen Rechte, von denen viele Leute nicht einmal wissen, dass es sie gibt. Des Weiteren klären wir die Gemeinden auch über die Anbauprojekte auf, was eigentlich Portucels Aufgabe wäre.
Wie wird sichergestellt, dass das Wissen breit gestreut wird, sodass möglichst viele Menschen erreicht werden und sie künftig besser über ihre Rechte Bescheid wissen?
In den Gemeinden werden Unterkomitees gebildet, die zu bestimmten Themenfeldern wie Land, Landvermessung für Familien und der Erhalt von Landtiteln und Landnutzungspläne für Anbauprojekte, arbeiten. Ziel ist, dass die Mitglieder das Wissen, was sie in den Komitees erlangen, in ihre Gemeinde tragen und mit Fragen und Anmerkungen aus ihrer Gemeinde zurück im Komitee arbeiten. So ist ein ständiger Austausch zwischen den Komitees und Gemeinden gewährleistet.
Wie ist die Stimmung in den Gemeinden, wenn es um Portucel geht? Ziehen alle gemeinsam an einem Strang?
Es gibt große Verärgerung, besonders wegen der leeren Versprechen und der Perspektivlosigkeit der Bauern, die ihr Land verloren haben. Oftmals gehen Bauern weg und suchen in Nachbargemeinden nach Flächen, auf welchen Sie ihr Gemüse anbauen können. Hierdurch gibt es auch Spannungen unter den Gemeinden. Momentan sieht es leider eher danach aus, als würden diese Spannungen in Zukunft noch ansteigen.
Welche Konsequenzen könnte die Verärgerung für Portucel haben?
Im schlimmsten Fall könnten die Gemeindemitglieder die Eukalyptus-Pflanzen anzünden. Portucel hat die Gefahr, die durch den Ärger droht, mittlerweile erkannt und möchte sich jetzt in einem ersten Schritt mit Oram und später vielleicht auch mit Gemeindemitgliedern treffen, um den Ärger abzufangen.
Wie werden die zentralen Forderungen gegenüber Portucel lauten?
Wir werden vor allem die Intransparenz der Prozesse kritisieren. In Zukunft müssen die Gemeinden wie vorgeschrieben über Landprojekte konsultiert werden. Die Bauern, die ihre Flächen aufgrund des Eukalyptus-Anbaus verloren haben, müssen zudem eine finanzielle Entschädigung erhalten.
Wie steht es um das ProSavana-Projekt, das von Brasilien und Japan mit Mosambik zur Anlockung von ausländischen Investoren abgeschlossen werden sollte?
Das wüssten wir auch gern! Nach massiver Kritik aus der Zivilgesellschaft im Jahr 2012 hörten wir bis Ende 2013 gar nichts mehr. Dann hieß es auf einmal, man habe einen Vertag abgeschlossen. Dieser wurde aber nie öffentlich. Zuletzt gab es 2015 die Information, man wolle den Investitionsschutz im Vertrag zugunsten von Mosambik verändern, doch auch diesbezüglich haben wir nichts Genaueres erfahren. Bisher haben wir keine konkreten Infrastrukturprojekte gesehen, die auf ProSavana zurückgehen. Es gab lediglich einige Modell-Projekte. Nach meinem Kenntnissstand wird noch immer über ProSavana verhandelt.
Auch Bergbau spielt eine große Rolle in Mosambik. Welche Konsequenzen haben sich aus Kohleabbauprojekten in Mosambik ergeben und wie haben die betroffenen Gemeinden darauf reagiert?
Durch die Bergbauprojekte ist viel Land unbrauchbar geworden, Wasser verschmutzt worden oder nicht mehr zugänglich. In den betroffenen Gemeinden sind die Menschen natürlich verärgert, aber sie haben keinen großen Protest auf den Straßen organisiert. Das Problem ist, dass die Gemeinden sehr klein sind, weit auseinander liegen und so gut wie gar nicht miteinander in Verbindung stehen. Daher ist es sehr schwer, Protest zu organisieren. Es gibt einige Studien von Nichtregierungsorganisationen, welche die Bergbauprojekte auswerten und kritisieren, aber die verantwortlichen Firmen zeigen sich davon weitgehend unbeeindruckt.
Das hört sich nach vielen Problemen und wenig Hoffnung an. Wo sind die größten Herausforderungen und wo Lichtblicke?
In der Tat bleibt die Lage in Mosambik insgesamt besorgniserregend. Ein großes Problem ist, dass es wenig Vertrauen in unsere Regierung gibt. Sie hat dafür aber auch wenig Anlass gegeben. Ich denke, wir müssen zielstrebig weiter an den Aufklärungsprojekten arbeiten und sehe dort Potenzial. Ich habe die Hoffnung, dass sich die Gemeinden künftig besser organisieren und ihren Protest konstruktiv äußern werden.
Original