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Venezuela: Wirtschaftskrise! Proteste! Fake-News! - Ein Land versinkt im Chaos

Bei den Protesten in Caracas kam ein Demonstrant zu Tode

Momentan gehen jeden Tag Tausende Demonstranten in Venezuelas Hauptstadt Caracas gegen Staatspräsident Nicolás Maduro auf die Straße.

► Die Polizei setzt Tränengas ein, um die Protestierenden zu vertreiben.

► Ein Demonstrant wurde am vergangenen Donnerstag unter bisher ungeklärten Umständen erschossen. Die Opposition und die Regierung machen sich für seinen Tod gegenseitig verantwortlich.

► David Smolansky, Bürgermeister des Hauptstadtbezirks El Hatillo, verbreitete am Wochenende den Vorwurf über den Nachrichtendienst Twitter, die Regierung Maduro setze ähnliches Giftgas wie Syriens Diktator al-Assad gegen die Demonstranten ein.

Warum demonstrieren die Menschen in Venezuela? Grund: Einerseits befindet sich das Land in einer wirtschaftlichen Krise, seit der Erdölpreis Anfang 2013 zu fallen begann. Andererseits wird die parlamentarische und außerparlamentarische Opposition stärker, seitdem Maduro das Präsidentenamt von Chávez übernommen hat.

Seit Anfang 2014 gibt es in Venezuela immer wieder starke Proteste gegen die sozialistische Regierung von Staatspräsident Nicolás Maduro, dem Nachfolger des verstorbenen Hugo Chávez (†2013).

Es gibt jedoch keine einheitliche Opposition in Venezuela. Die Kritik an der amtierenden Regierung kommt sowohl von links als auch von rechts. Zunehmend kommt sie außerdem aus dem eigenen Lager der sozialistischen PSUV.

Dieter Boris, emeritierter Professor der Universität Marburg und Lateinamerika-Experte, warnt: „Beide Seiten, sowohl die Opposition als auch die Regierung, übertreiben viel und lügen. Daher muss man sehr vorsichtig sein, mit wem man spricht."

Aktuelle Spannungen

Bei den Protesten in Caracas kam ein Demonstrant zu TodeFoto: Action Press

Unmittelbar nach dem Urteil, das der Oberste Gerichtshof Ende März verkündete, gingen Tausende Venezolaner im ganzen Land auf die Straße.

Die Demonstrationen gehen auf ein Urteil des Obersten Gerichts Venezuelas zurück, welches das Parlament entmachten sollte. Das Gericht steht zur Mehrheit hinter der Regierung Maduro. Der Richterspruch hatte die Kompetenzen des Parlaments auf das Gericht selbst übertragen und die politische Immunität der Abgeordneten aufhoben.

Als dann auch noch die venezolanische Generalstaatsanwältin, Luisa Ortega, die Entscheidungen als „Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung" bezeichnete, ruderte Maduro wieder zurück: Nach nur drei Tagen nahm das Gericht das Urteil zurück.

Scharfe internationale Kritik an dem Richterspruch kam aus den USA, der Europäischen Union, Deutschland und einigen lateinamerikanischen Staaten.

Generalstaatsanwältin Luisa Ortega übte starke Kritik an Präsident Maduro (rechts)Foto: HANDOUT / Reuters

Opposition bleibt unzufrieden Die Forderung der Opposition: So schnell wie möglich Neuwahlen. Es wird sowohl die Einberufung von Präsidentschaftswahlen als auch das Nachholen der 2016 ausgesetzten Kommunalwahlen gefordert.

Oppositionsführer Henrique Capriles rief trotzdem dazu auf, weiter auf die Straße zu ziehen.

Oppositionskandidat wurde kaltgestellt Klartext: Capriles kann für die kommenden Präsidentschaftswahlen (2018) nicht als Kandidat antreten.

Die Antwort der Regierung Maduro ließ nicht lange auf sich warten: Am vergangenen Freitag gab die Behörde für Finanzkontrolle bekannt, dass Henrique Capriles für 15 Jahre seine politischen Rechte entzogen werden.

Von seiner erneuten Kandidatur als Präsidentschaftskandidat wurde allgemein ausgegangen. Er wurde sogar schon als aussichtsreichster Gegenkandidat von Maduro gehandelt.

Capriles gehört der rechtsliberalen Oppositionspartei Primero Justicia (zu Deutsch: Gerechtigkeit zuerst) an und ist Gouverneur des Bundesstaates Miranda.

Bereits 2012 und 2013 war er als Präsidentschaftskandidat angetreten. Beide Male verlor er knapp: gegen Chávez im Jahr 2012 mit knapp elf Prozentpunkten Differenz, gegen Maduro 2013 mit 1,6 Prozentpunkten.

Seit dem Wochenende werden nun sogar massiv Fake-News verbreitetet. Ominöse Nachrichtenseiten behaupten: Die Nato werde bald in Venezuela eingreifen. Attacken mit Fake-News

Auf Facebook werden solche „Nachrichten" millionenmal geteilt. Folge: Viele Menschen in Venezuela sind verunsichert, wem sie noch glauben sollen. Gleiches gilt für den aktuellen Vorwurf des Bürgermeisters David Smolanky, Maduro setze Giftgas gegen die Bevölkerung ein.

Die kalkulierte Aufmerksamkeit ließ nicht lange auf sich warten: Smolankys Tweet wurde mehr als 1000 Mal geteilt, nationale wie internationale Medien berichteten über den Vorwurf.

4:13 PM Atención Comunidad Internacional: Cuidado y @NicolasMaduro empieza a usar armas químicas como está ocurriendo en #Siria.

- David Smolansky (@dsmolansky) 8. April 2017

„Es ist unwahrscheinlich, dass an diesen Vorwürfen etwas dran ist. Ich denke, dass übliches Tränengas verwendet wurde", sagt jedoch der Venezolaner und Politologe Lautaro Sancho (31), der seit Kurzem in Berlin lebt. „In Venezuela erleben wir gerade eine Welle der Desinformation", so Lautaro.


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