Als die US-amerikanische Künstlerin Jenny Odell eine Rede mit dem Titel „How to do nothing" hielt und das Transkript daraufhin online stellte, wurde es schnell viral. Sie beschrieb, wie das moderne Leben unsere Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehme. So sehr, dass unsere Grenzen zwischen Arbeit, Freizeit und Ruhezeit komplett verschwommen seien.
Ihr Gegenentwurf? „How to Do Nothing: Widerstand gegen die Aufmerksamkeitsökonomie", eines von vielen Büchern, das versucht, den kulturellen Moment des davon Abstandnehmens beschreibt. Odells Ansatz ist simpel; sogar simpler als Meditation: So fragt sie sich einfach in einem alltäglichen Moment, was ihr an einer gewissen Szene oder einem gewissen Ort noch nie aufgefallen ist. Das kann ein Vogel vor dem Fenster oder ein gewisser Geruch auf dem Weg zur Arbeit sein. Nicht gerade nichts, aber zumindest ein bewusster Abstand vom normalen Geschehen.
Niksen wie die Niederländer
Ein wenig erinnert das auch das, was Olga Mecking in der New York Times als niksen beschreibt: Fans des Hygge-Lifestyles wissen, dass die Länder des europäischen Nordens uns in Sachen Wohlbefinden meist einen Schritt voraus sind. Wieso sollte es also nicht auch ein passendes Wort für das wertvolle Nichts-Tun geben? Niksen nennen die Niederländer dieses Nichts: Ein aus-dem-Fenster-starren, ein sitzen-und-sich-nicht-bewegen, also: die Kunst ein wenig Zeit zu verschwenden.
So weit, so gut. Doch wozu brauchen wir diese niksen-Momente überhaupt? In einer Studie bat Sandi Mann, Psychologin an der Universität of Central Lancashire in Großbritannien, Teilnehmende an einer langweiligen Schreibübung teilzunehmen und daraufhin eine kreative Aufgabe zu lösen. Die Kontrollgruppe ließ den ersten Teil aus. Die „Gelangweilten" stellten sich als kreativer heraus. Mann erklärt das als eine positive Folge des Tagträumens. Unser Gehirn hätte dadurch Zeit, nach einer eigenen Stimulation zu suchen. Sprich, zu wandern. Und schon werden wir inspirierter, kreativer.
Ist dieses Nichts, nach dem wir suchen, also vielleicht einfach nur gesunde Langeweile? Kommt man vom Stigma der modernen Gesellschaft weg, die uns auf Aufmerksamkeit drillt, könnten wir als ersten Schritt diese Langweile (für uns oft gleichgesetzt mit Verschwendung und Faulheit) neu definieren. Wenn uns also jemand fragt, was wir gerade machen, sollten wir bereit sein, voller Stolz zu sagen: nichts.