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Ministerin Kiechle verschwieg mögliche Interessenkonflikte

Marion Kiechle, Ministerin für Kunst und Wissenschaft. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Marion Kiechle, die bayerische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, hat mögliche Interessenkonflikte verschwiegen, die bereits vor ihrer Berufung vorlagen. Als Professorin für Gynäkologie lobte Kiechle in einer Pressemitteilung der Firma "Therawis Diagnostics" einen neu entwickelten Biomarker. Kiechle ist auch Mitgesellschafterin der Firma, die das Produkt entwickelt hat und bewirbt.

Etwa einen Monat bevor Marion Kiechle zur neuen bayerischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst berufen wurde, hatte sie als Professorin für Gynäkologie ein Medizinprodukt beworben. In einer Pressemitteilung der Firma "Therawis Diagnostics" lobte Kiechle einen neu entwickelten Biomarker. Der soll Ärzten künftig als Messinstrument dabei helfen, zu erkennen, ob bei Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, eine bestimmte Chemotherapie anschlagen werde oder nicht.


Der PITX2-DNA-Methylierungstest, so wird Kiechle in der Pressemitteilung zitiert, "bedeutet für uns Ärzte einen großen Fortschritt in der Behandlungsoptimierung". Kiechle wird in der Mitteilung als Professorin der TU München zitiert. Was da nicht steht: Marion Kiechle ist auch Mitgesellschafterin der Firma, die das Produkt bewirbt und entwickelt hat.

Lediglich am Ende der Pressemitteilung findet sich ein schmaler Hinweis darauf, dass die Therawis auch von Wissenschaftlern der TU München mitgegründet worden sei. Kiechles konkrete Rolle in dem ganzen bleibt unerwähnt. Recherchen der Süddeutschen Zeitung, des BR, NDR und des WDR zeigen aber, dass Marion Kiechle im Februar bereits etwa zehn Prozent der Anteile an der Pharmafirma Therawis Diagnostics hielt. Auf Anfrage räumt Kiechle ein: "In der Tat wäre es besser gewesen, an dieser Stelle meine Firmenbeteiligung noch deutlicher darzustellen."


Recherchen zeigen, dass Kiechle auch bei mehreren Publikationen zum Thema in wissenschaftlichen Journalen ihren Interessenkonflikt nicht angab. Das ist zwar nicht illegal, aber gute wissenschaftliche Praxis sieht Experten zufolge anders aus: Ein Forscher macht in der Regel kenntlich, ob er finanzielle Verstrickungen oder Anteile an der Firma hat, für die er ein Produkt erforscht, untersucht oder entwickelt.

Kiechle erklärte auf Anfrage, es habe sich bei den Veröffentlichungen zum PITX2-Gebiet um andere Krebsarten und um ein Review gehandelt, daher habe sie ihre Gesellschaftsanteile nicht explizit angegeben. Dieser Ansicht widersprechen Experten: "Auch in einem Review und in anderen Artikeln sollten Interessenkonflikte, auch von Marion Kiechle, angegeben werden", sagt Christiane Fischer vom deutschen Ethikrat. Und auch Günther Steger, Brustkrebsexperte der Medizinischen Universitäten Wien, findet klare Worte: "Wenn ich Beteiligungen verschweige, gebe ich ein falsches Bild ab. Ich muss den Interessenkonflikt angeben, warum auch nicht?", sagt Steger.


Führende Onkologen sagen im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung und dem BR zudem, dass das Produkt für den klinischen Alltag noch nicht zu empfehlen sei. Als klinische Validierung gibt die Firma Therawis auf ihrer Seite eine Studie mit 205 Probanden an, sie ist noch nicht einmal in Gänze veröffentlicht. "Der PITX2 ist ein interessanter Biomarker, der allerdings erst noch weiter erforscht werden muss, bevor er für die klinische Routine empfohlen werden kann", sagt Wolfgang Janni von der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie. Daher sei das Produkt bisher noch nicht in die Leitlinien zur Brustkrebsbehandlung aufgenommen worden. Man empfehle derzeit nur den Einsatz von besser erforschten Biomarkern. "Jetzt können Ärzte auf dieser Grundlage noch keine Entscheidung für oder gegen den Marker treffen", sagt auch Peter Lichter, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik am Deutschen Krebsforschungszentrum im Interview mit der SZ. Der Marker sei interessant, Forschung in dem Gebiet wichtig, aber es müssten weitere Tests folgen.


Kiechle schreibt auf Anfrage, sie habe aufgrund ihrer Position als Staatsministerin alle wissenschaftlichen Aktivitäten eingestellt, die möglicherweise einer Firma zu Gute kommen könnten, an denen sie als Gesellschafterin beteiligt ist. Ihre Aussage in der Pressemitteilung sei keine Empfehlung für den Biomarker-Test gewesen. Therawis schreibt auf Anfrage, man halte sich an das Heilmittelwerbegesetz und es liefen bereits weitere klinische Studien.

Kiechle stand vor wenigen Tagen bereits in einer Doku des WDR in der Kritik. Sie war im Mai als Rednerin auf die Konferenz eines dubiosen Raubverlages eingeladen, der dafür bekannt ist, pseudowissenschaftliche Konferenzen zu veranstalten und Forschern dafür Geld abzuknöpfen. Marion Kiechle sagte den Vortrag ab. Allerdings nicht etwa, weil es sich dabei um einen dubiosen Verlag handelt. Sondern aus Termingründen, wie Kiechle auf Anfrage schreibt. In der Programmankündigung kann man nachlesen, was Kiechle dort präsentieren wollte: Ihre Forschung zum neuen Biomarker PITX2.

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