Katharina Horban

Freie Journalistin, München

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Das Geschäft mit der Leihmutterschaft

Auch beim Geschäft mit dem Kinderwunsch gibt es Sonderangebote. Foto: Katharina Horban/Tsp

Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten. Doch auf Messen wird für diverse Angebote im Ausland geworben. Denn die Nachfrage ist groß.

Das Paar setzt sich an den Tisch, abwartend und vorsichtig. Hinter ihnen an den Wänden des Messestandes steht der Slogan „Unsere Babies sind jetzt über 30 Jahre alt". Sie, 32, hatte Krebs und ist nun unfruchtbar: Auf natürlichem Weg kann das Paar aus Heidelberg keine Kinder mehr bekommen.

Deshalb sind sie zu den Kinderwunsch Tagen nach Berlin gereist, Leihmutterschaft ist ihre letzte Hoffnung: Dabei stellt eine Frau ihre Gebärmutter für eine fremde befruchtete Eizelle zur Verfügung und verpflichtet sich für Geld oder eine Aufwandsentschädigung schon vor der Schwangerschaft, das Kind, das sie austragen wird, nach der Geburt an Dritte abzugeben.

Juan Tecles von California Fertility Partners erklärt dem Paar den Vorgang, der in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt ist - in den USA aber schon. „Wie groß ist Ihre Klinik?", fragt die vielleicht baldige Mutter. „Wie viele Patienten kommen aus dem Ausland? Ich frage, weil ich nicht weiß, wie ich der Klinik vertrauen kann." Tecles antwortet mit dem Slogan von der Wand, er will genau dieses Vertrauen aufbauen.

Jedes zehnte Paar ungewollt kinderlos

Vertrauen. Darum geht es bei der in Berlin, Köln und München jährlich stattfindenden Kinderwunschmesse: Mehr als 50 Anbieter, viele davon aus dem Ausland, informieren über die verschiedensten Möglichkeiten, sich den Kinderwunsch doch noch zu erfüllen. Denn etwa jedes zehnte Paar in Deutschland zwischen 25 und 59 Jahren bleibt laut Bundesfamilienministerium ungewollt kinderlos. Diese Zahl zeigt, dass - obwohl künstliche Befruchtungen Konjunktur haben - längst nicht jedem Paar damit geholfen werden kann.

Eine Alternative ist die Leihmutterschaft. Doch wie groß ist der Markt dafür? Was ist Ausbeutung, was ist seriöse medizinische Beratung?

Zur Frage, wie viele deutsche Paare jedes Jahr ihr Kind von einer Leihmutter austragen lassen, gibt es keine seriösen Daten. Sicher ist, dass dies immer mehr deutsche Paare tun. Zum Beispiel in den USA. Allein dort kamen laut der US-Bundesbehörde Center for Disease Control and Prevention (CDC) von 1999 bis 2013 18.400 Kinder auf diese Weise zur Welt - und der Markt wächst. Während 1999 noch 727 künstliche Befruchtungen von Leihmüttern verzeichnet sind, stieg die Zahl bis 2013 auf 3432 künstliche Befruchtungen. Die meisten Wunscheltern sind noch immer US-Bürger, der Anteil von Wunscheltern aus dem Ausland liegt bei 16 Prozent.

Doch Rolf Behrentin merkt auch in Deutschland das steigende Interesse. „Jeden zweiten Tag kommt eine Anfrage für eine Beratung zu den rechtlichen Aspekten einer Leihmutterschaft", sagt der Anwalt für Familienrecht, der sich auf Adoptionsrecht spezialisiert hat. Da bei circa 90 Prozent der Leihmutterschaften die Wunschmütter adoptieren müssen, hat er regelmäßig mit dem Thema zu tun.

Der Markt dafür ist groß, allein aus der Ukraine werden Behrentin zufolge pro Jahr circa 1000 Leihmutterschaften in die ganze Welt vermittelt. Spanien sei der größte Abnehmer, nach Deutschland kämen aus der Ukraine jedes Jahr etwa 100 Babies.

Leihmutterschaft nicht per se verboten

Zwar ist Leihmutterschaft in Deutschland nicht durch ein eigenes Gesetz verboten. Doch der Gesetzgeber hat die Entstehung von Leihmutterschaft schon im Vorfeld verhindert, etwa durch das Embryonenschutzgesetz (EschG) und das Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG).

Das EschG untersagt die künstliche Befruchtung einer Leihmutter und jegliche Form der Eizellenspende sowie Verwendung einer fremden Eizelle. Dieses Verbot richtet sich an medizinisches Fachpersonal - bei Zuwiderhandlung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Begründet wird das durch mögliche seelische Konflikte und Identitätsprobleme von Kindern, deren genetische Mutter nicht mit der Frau übereinstimmt, die sie zur Welt gebracht hat.

Durch das AdVermiG kann das öffentliche Anbieten oder Suchen von Leihmüttern und Wunscheltern mit einer Geldstrafe von bis zu 5000 Euro geahndet werden. Finden Leihmutter und Wunscheltern allerdings privat zusammen, greift das Gesetz nicht. Zu der vielschichtigen Gemengelage teilt die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer auf Anfrage mit: „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diese Fragen einer rechtlich konsistenten und angemessenen Regelung zuzuführen."

Politik schaut skeptisch auf Kinderwunsch Tage

In der Politik herrscht indes Uneinigkeit, aber die Diskussion um eine Anpassung des 30 Jahre alten ESchG ist da. So setzt die FDP-Bundestagsfraktion auf strenge Auflagen bei der Legalisierung von Eizellspende wie Leihmutterschaft und bemängelt, dass man dem internationalen Standard in der Reproduktionsmedizin hinterherhinke.

SPD-Gesundheitsexpertin Bärbel Bas hingegen steht dem Thema kritisch gegenüber, besonders Kinderwunsch Tage sieht sie skeptisch: „Ich bezweifle, dass auf Veranstaltungen wie den Kinderwunsch Tagen umfassend informiert wird." Die Reproduktionsmedizin berühre ethische Grundfragen. „Über diese Fragen scheinen die Kinderwunsch Tage einfach hinwegzugehen."

Laut Behrentin steht bei solchen Messen auf den Schildern der Aussteller das, was in deren Heimat gesetzlich erlaubt ist. Wenn auch nicht direkt, sei das Ziel von Leihmutterschaftsanbietern auf Messen letztendlich die Vermittlung von Leihmüttern. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung positioniert sich zu den Kinderwunsch Tagen klar: „Wir unterstützen es nicht, wenn in Berlin über Verfahren informiert wird, die hier verboten sind." Rechtliche Handhabe, die Messe vorab zu untersagen, habe man aber nicht.

Das Geschäft scheint sich zu lohnen

Ioannis Zervomanolakis profitiert von der derzeitigen Lage: Der Arzt aus Athen mit dem Schwerpunkt Reproduktionsmedizin macht mit der Klinik Southeastern Fertility Solutions in Athen Leihmutterschaft für Paare möglich - und redet regelmäßig in Deutschland über das Thema. Jährlich begleitet die Einrichtung nach eigenen Angaben über 3500 Paare auf dem Weg zum Wunschkind.

Kritikern der Messen entgegnet er: „Ich sehe keinen Unterschied daran, wenn Paare sich auf meiner Webseite über Leihmutterschaft informieren oder wenn ich vor Ort mit ihnen spreche." Wie viel das ganze kostet, will er nicht genau sagen. Bei jeder Patientin würden die Kosten individuell berechnet. Dass viele Aussteller trotz Covid-19 zu den Berliner Kinderwunschtagen gekommen sind, zeigt aber, wie sehr sich das Geschäft lohnt.

Experten zufolge ist die sicherste Variante für deutsche Paare in den USA. Das Western Fertility Institute in Kalifornien beispielsweise, bei dem derzeit vier deutsche Paare in Behandlung sind, bietet ein „One Stop"-Paket. Nach einmaliger Zahlung von 155.000 US-Dollar würden die Wunscheltern garantiert ein gesundes Baby erhalten - eine Zwillingsgeburt kostet weitere 30.000 Dollar. Falls Eizellenspenderin oder Leihmutter sogenannte Premium-Kandidatinnen sein sollen, kann sich der Preis nochmals erhöhen. Dafür bekommt man einen Ivy League Doktor.

In der Ukraine ist es billiger

Persönliche Beratung ist auf der Messe längst nicht alles, Erfahrungsberichte sollen mit der Leihmutterschaft vertraut machen: Richard Westoby hat mit seinem Partner mittlerweile zwei siebenjährige Zwillinge. Heute arbeitet der Wunschvater als Senior Consultant für das San Diego Fertility Center - für die Klinik, die ihm seinen Kinderwunsch ermöglicht hat. Er erzählt dem Publikum: „Vor acht Jahren haben wir genau das durchlebt, was ihr jetzt durchmacht."

Emotionen werden hier großgeschrieben - Westoby spricht von der Leihmutter als „tommy-mummy Angela", zu der seine Familie noch heute ein enges Verhältnis habe. Dann weint er. Er habe damals für seine Zwillinge rund 210.000 US-Dollar gezahlt und gibt zu: „Natürlich spielt Geld eine Rolle. Leider. So ist es eben."

Eine günstigere Alternative bietet die Agentur Feskov aus der Ukraine. Nach eigenen Angaben finden dort jährlich etwa zehn deutsche Wunscheltern eine Leihmutter. Zahlen müssen sie zwischen 37.000 und 89.000 Euro. Die Beraterin am Stand hat eine eigene Argumentation parat: „In der Ukraine ist es illegal zu kiffen, dafür fährt man halt nach Amsterdam. So ist das auch mit der Leihmutterschaft."

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