Katharina Horban

Freie Journalistin, München

10 subscriptions and 3 subscribers
Article

Freiwilligendienste: Darum fehlen den Heimen die Bewerber

Helfende Hände gesucht: Von sechs Freiwilligenstellen im Seniorenhaus der Kieler Stiftung Drachensee sind zurzeit nur zwei besetzt. Quelle: Frank Peter

Für die Sozialverbände in Schleswig-Holstein ist es ein Alarmsignal: Die Zahl der Bewerber für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und den Bundesfreiwilligendienst (BFD) geht zurück. Vor allem in Altenheimen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sind noch viele Plätze unbesetzt. Die Gründe sind vielschichtig.

"Ohne genügend Freiwillige geht eine Zusatzportion Menschlichkeit verloren", klagt Bildungsreferentin Anna Gimbel von der Gesellschaft für Paritätische Soziale Dienste (GPS) in Kiel.

Gerade in sozialen Einrichtungen würden die festen Mitarbeiter längst am Limit arbeiten. Umso wichtiger sei die Unterstützung durch Freiwillige, gerade wenn es um Freizeitangebote oder Gesprächszeit gehe. Allein die GPS bringt pro Jahr mehr als 400 Freiwillige in rund 210 Einsatzstellen unter. Mehr als 100 Plätze seien derzeit noch zu vergeben. "Bei diesen Zahlen sind selbst wir überrascht", sagt Gimbel.

Auch beim Bundesfreiwilligendienst gibt es immer weniger Bewerber

Das Deutsche Rote Kreuz und die Arbeiterwohlfahrt haben ähnliche Probleme. Geschäftsführerin Helga Creutz-Stallbaum vom Landesjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt stellt vor allem beim Bundesfreiwilligendienst einen kontinuierlichen Rückgang fest.

Aktuell sind beim DRK Schleswig-Holstein noch ein Drittel der Plätze frei. Anette Langner vom DRK-Landesverband sagt: "Wir wünschen uns, dass diese Arbeit mehr Anerkennung erfährt." Insbesondere bei der Arbeit mit Behinderten, im Dialysezentrum und in der Altenhilfe werden im Großraum Kiel noch händeringend Freiwillige gesucht.
So viel verdient ein FSJler: Bei der Aufwandsentschädigung handelt es sich offiziell nicht um einen Verdienst, sondern um ein Taschengeld: Wie viel Geld die jungen Erwachsenen beim FSJ und BFD monatlich bekommen, hängt stark vom jeweiligen Träger und der Einsatzstelle ab. Laut Sozialministerium liegt das Taschengeld im Land zwischen 150 und 402 Euro, höhere Ausgaben erfolgen auf freiwilliger Basis der Einsatzstellen. Zudem gibt es, je nach Träger und Einsatzstelle, Zuschüsse zur Unterkunft und Verpflegung. Ein Beispiel: Die Gesellschaft für Paritätische Soziale Dienste (GPS) zahlt als Träger zusätzlich zum Taschengeld 251 Euro Verpflegungsgeld sowie zwischen 25 und, bei eigener Wohnung, 231 Euro Unterkunftsgeld. In der Regel werden hier aber die Mindestbeträge ausgezahlt. Jedoch gibt es Reformwünsche: Seit 2017 fordert etwa eine Social-Media-Aktion jedes Jahr zum Tag des Ehrenamts am 5. Dezember unter dem Hashtag #freiefahrtfürfreiwillige kostenfreie oder kostengünstige ÖPNV-Tickets für alle Freiwilligen in Deutschland. Einzelne Freiwillige berichten, dass sie sich ihr Jahr ohne elterliche Unterstützung nicht hätten leisten können.
In der Altenhilfe wollen Schulabgänger später kaum arbeiten

Auch Magdalena Häußler vom Arbeiter-Samariter-Bund Kiel verzeichnet einen Rückgang bei den Bewerbungen für die 30 angebotenen FSJ-Plätze. Bei der Pflege von Behinderten und Senioren konnten nicht alle Stellen besetzt werden. Anders sieht es im medizinischen Bereich aus, beispielsweise bei der Ersten Hilfe: "Schulabgänger machen ein FSJ eher in dem Bereich, in dem sie später arbeiten möchten - das trifft auf die Altenhilfe kaum zu."

Laut Julia Schrook von der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung wachsen sogar im kulturellen Bereich die Sorgen. Bisher sei man noch "vergleichsweise luxuriös" aufgestellt gewesen - aber inzwischen gebe es auch hier erste Lücken.

Immer weniger Schulabgänger durch demografischen Wandel

Die Träger haben für die rückläufigen Zahlen unterschiedliche Gründe ausgemacht. Zum einen sinkt durch den demografischen Wandel die Zahl der Schulabgänger. Zum anderen gebe es aber auch immer mehr interessante Alternativen wie etwa ein Orientierungsjahr im Ausland. Hinzu kommt: Das Freiwillige Soziale Jahr sei unter den Schulabgängern einfach noch zu wenig bekannt, glaubt GPS-Bildungsreferentin Anna Gimbel.


Kommentar zum Thema:

1. Hintergrundbericht zum Thema:

2. Hintergrundbericht zum Thema:
https://www.kn-online.de/Kiel/Freiwilligendienste-Darum-gibt-es-nicht-nur-Lob-fuers-FSJ
Original