Katharina Horban

Freie Journalistin, München

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Studentenjob unter Wasser

Studentin Tanja Pagel arbeitet als Forschungstaucherin in Kiel, ist aber auch privat gerne im Meer - wie hier vor Mönkeberg. Quelle: Keith Kreitner von Global Underwater Explorers (GUE)

„In einem Munitionsfeld zu tauchen, das ist schon spektakulär “, sagt Tanja Pagel. Sie hat sich am Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zur Forschungstaucherin ausbilden lassen – und hat seitdem „einen der coolsten Nebenjobs, die man als Student haben kann“.

Durch die Ausbildung kann Tanja Pagel über und unter Wasser wissenschaftlich arbeiten: Im Meer befähigt sie der Tauchschein dazu, an Land schreibt die Studentin gerade ihre Masterarbeit. 2014 ist sie fürs Studium nach Kiel gekommen, hatte damals bereits einen Sporttauchschein und taucht seitdem in ihrer Freizeit in der Förde, der Ostsee und im Ausland.

Zwischen Bachelor und Master begann dann die Forschungstauchausbildung - verkürzt, tauchen konnte sie ja bereits. Von morgens bis abends wurde im Hafen oder auch von Schiffen des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung aus getaucht.

Am Abend stand stets noch eine Theorie-Einheit auf dem Stundenplan. Pagel war mit den anderen Anwärtern auch eine Woche in Dänemark - spätestens dort zeigte sich die körperliche Fitness: „Jeden Tag fand Seeschwimmen statt, am Ende der Woche dann sechs Kilometer."

Forschungstaucher müssen fit sein

Generell müsse man psychisch und physisch sehr belastbar sein: „Man muss sich bewusst machen, dass die Sicht in der Ostsee oft gleich null ist und man auch an potenziell gefährlichen Gegenständen arbeitet", sagt Pagel. Vor der Ausbildung müsse jeder einen Fitnesstest absolvieren.

Genau diese Fitness werde bei jedem Einsatz gefordert: Die Ausrüstung wiegt einiges. Vor allem muss ein Forschungstaucher aber in jeder Situation helfen können, etwa jemanden aus dem Wasser ziehen können.

Wie aber kommt man als frisch ausgebildete Forschungstaucherin an Aufträge? „Natürlich geht viel über Kontakte", sagt die Studentin. Das Forschungstauchzentrum (FTZ) der Uni Kiel ist selbst an einigen Projekten beteiligt, bei denen die jeweiligen Einsatzleiter aus einem Pool von Forschungstauchern ihr Team zusammenstellen.

Taucheinsatz bei Grabung unter Wasser

So war Tanja Pagel in den vergangenen zwei Jahren bei verschiedenen Projekten dabei: Erst kürzlich hat sie vor der Küste von Bülk drei Wochen lang an einer archäologischen Grabung unter Wasser teilgenommen.

In diesem Küstenabschnitt wurde 2011 eine Steinzeitsiedlung entdeckt. Geleitet wird das Projekt vom Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung (NIHK). Seit mittlerweile eineinhalb Jahren erkunden Forschungstaucher den dortigen Meeresgrund.

Sie erhoffen sich neue Erkenntnisse über den Verlauf der Küstenlinie vor 7000 Jahren. „Mit einer Art Unterwasserstaubsauger habe ich in einzelnen Abschnitten auf dem Meeresgrund die Sandschichten abgesaugt. Das lief ähnlich wie bei einer Landgrabung ab - nur eben unter Wasser", erklärt Pagel ihren Job. Damit das Material vom Meeresgrund aufgefangen werden kann, hat sie dort mit Sauglanzen gearbeitet und Bodenproben für die Archäologen an Land genommen.

Munition im Meer wird untersucht

Einem Geomar-Messknoten hat Tanja Pagel auch schon Besuche abgestattet. Über die Uni Kiel bucht das Forschungsinstitut nämlich Taucher, die einmal im Monat die Messanlage von Algen befreien und zum Teil auch neue Sonden anbringen oder Kabel verlegen.

Ein weiteres Forschungsprojekt gibt es zurzeit vom Institut für Geowissenschaften, das untersucht, wie Steine sich unter Wasser bewegen. „Auf Partys ist das Non-Plus-Ultra-Thema aber die Munition im Meer. Das fasziniert die meisten", sagt die 28-Jährige.

Nach den Weltkriegen wurden Millionen Tonnen Munition in die Weltmeere geworfen - auch in die Kieler Förde. Neben der Detonationsgefahr treten giftige Stoffe aus, reichern sich in der maritimen Nahrungskette an und gefährden auch die menschliche Gesundheit. Diesen Prozess untersucht das Projekt „Umweltmonitoring für die Delaboration von Munition im Meer" (UDEMM) vor Kiel.

Studentin Tanja Pagel wird weiter tauchen

Auch hier werden Forschungstaucher benötigt, weshalb Pagel von Tauchgängen zwischen Grundminen, Fliegerbomben und Torpedos berichten kann. „In der Nähe der Bomben bringen wir Miesmuscheln an, die das Wasser filtern. Nach ein paar Monaten werden die Muscheln aus dem Wasser geholt, und es wird untersucht, wie viel TNT sie aufgenommen haben."

Das Institut für Toxikologie am UKSH, an dem Pagel gerade ihre Masterarbeit schreibt, ist bei UDEMM dabei und untersucht, wie sich der Zerfall der Munition auf die Umwelt auswirkt.

Wie es auch immer beruflich weitergeht, dem Tauchen wird Pagel treu bleiben. Und das kann die Studentin auf der ganzen Welt tun - in der Szene ist man sich sicher: „Wenn man in Deutschland tauchen kann, kann man fast überall auf der Welt tauchen." Die Ostsee sei anspruchsvoll und könne sehr schnell ruppig werden. „Wenn man an schlechte Bedingungen gewöhnt ist, wirken Thailand oder die Karibik wie ein Aquarium."


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