2 subscriptions and 3 subscribers
Article

Lemonade und seine Investoren: Warum die ganze Welt investieren möchte

Seit dreieinhalb Jahren gibt es Lemonade, das amerikanische StartUp mit ausgeklügeltem Technologieverständnis. Schon in den ersten 48 Stunden kaufen Kunden über 142 Versicherungen bei dem bis dato unbekannten Unternehmen. Die Medien lieben Lemonade und berichten seit der ersten Finanzierungsrunde gerne und ausdauernd über das Unternehmen. Was Google, Allianz und Andere zum Investment verführt.


Man könnte die Geschichte von Lemonade einfach erzählen, indem man sie auf das herunterbricht, was sie ist: Ein lange andauernder Erfolg. Der Blick auf die Investoren zeigt jedoch, dass hinter diesem Insuretech mehr steck als ein Medienhype. Neben der Hoffnung auf eine spektakuläre Entwicklung versuchen die frühen Geldgeber ihr Portfolio abzusichern. Aktuelle Geldgeber versuchen ihren Anteil zu sichern, um einerseits Gewinne zu erwirtschaften und andererseits von den Gründern zu lernen. Aber von vorne:


Seeding: Wie Lemonade ohne Pitchdeck und Demo der App Sequoia Capital und Aleph überzeugten


Was nach einer Klischeegeschichte über StartUps klingt, ist im Fall von Lemonade wirklich so passiert. Gründer Daniel Schreiber erzählt dem Onlineportal Business Insider wie folgt über die geführten Gespräche: "Just two guys and an idea. It helps that we are two relatively seasoned entrepreneurs, not 19 years old. We had a credible thesis. We were thoughtful about the [business] model. It was talking it through".


Mutig ist dieses Vorgehen vor allem deshalb, weil die erste Finanzierungsrunde, auch Seeds oder Seeding genannt, entscheidend ist: Kommt hier keine Finanzierung zustande, wird die App nicht umgesetzt. Umso erstaunlicher ist die Gelassenheit mit der Schreiber und Mitgründer Shai Wininger in die Gespräche mit den beiden Unternehmen gehen.


Sequioa Capital ist ein amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Menlo Park, einem Nachbarort des Silicon Valley. Das seit 1972 tätige Unternehmen ist vor allem in Energie, Gesundheit, Technologie und Finanzen investiert. Aus seinen Investments gingen unter anderem AirBnB hervor, wo das Unternehmen ebenfalls als Gründungsinvestor auftritt.


13 Millionen US Dollar. So viel sammelt Lemonade in der ersten Finanzierungsrunde ein. Als Begründung führt Haim Sadger, Partner bei Sequoia Capital, gegenüber dem Onlineportal Techcrunch an: "But it is rarer still to find such accomplished founders tackling such a sizable industry... We're bettingLemonade will transform the insurance landscape beyond recognition. It is one to watch.".


Ähnlich wie bei Sequoia Capital verhält es sich auch bei Aleph. Das israelische Unternehmen ist ebenfalls auf die Finanzierung von Unternehmen spezialisiert. Allerdings kennt der Gründer, Michael E. Eisenberg, die beiden Lemonade-Gründer seit vielen Jahren, wie er in seinem Unternehmensblog auf Medium schreibt. 


Warum Eisenberg für Schreiber und Wininger seine Grundsätze über Bord wirft 

Eigentlich investiert Aleph nicht in Seedings. Auch liegt das getätigte Investment deutlich über deren normalen Finanzierungen. Als Gründe führt Eisenberg gleich mehrere an: Zunächst ist die Branche Grund genug. Wer im Versicherungswesen aktiv werden möchte, der benötigt mehr Geld als andere Branchen dies tun. Dies liegt auch nahe, wenn man bedenkt, dass die meisten Venture Capital finanzierten StartUps in den ersten Monaten mit einem Laptop und einem Internetanschluss auskommen.


Die Markteintrittsbarriere für Versicherungsunternehmen - und das ist, was Insuretechs sein möchten - liegen höher als die von klassischen StartUps. So ist beispielsweise eine Markterlaubnis seitens der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) nötig, um seinen Hauptsitz in Deutschland zu haben. 


Als nächsten Grund gibt Eisenberg die Erfahrung der beiden Gründer von Lemonade an. Ihre Kontakte und die damit verbundene Möglichkeit, ein funktionierendes Team aus Experten zusammenzustellen, erlaubt es Lemonade schneller zu wachsen als dies gewöhnliche StartUps tun. So ist es auch zu erklären, dass etwa 169 Mitarbeiter nach Angabe von Crunchbase heute für das Unternehmen arbeiten. Andere Versicherer kämen mit diesem Personalstamm nicht aus. 


Series A: Nächste Finanzierungsrunde - selbe Partner 


Insofern überrascht es wenig, dass bereits im August, neun Monate nach der Gründung von Lemonade, die Runde zur Anschlussfinanzierung mit denselben beiden Investoren wie bei der Gründung vollzogen wird. Die Series A genannte Finanzierungsrunde dient dazu, den Rollout des Produkts vorzubereiten. Aufgrund der großen Höhe von zwei Mal 13 Millionen US Dollar scheint es möglich, dass ein Großteil der zweiten Runde vor allem dem Wachstum dient.


Bereits vier Monate nach dem RollOut startet mit der Series B die erste Finanzierungsrunde mit dem klar erklärten Ziel: Wachstum. Mit GV, dem ehemaligen Google Ventures, General Catalyst Partners, Thrive Capital, XL Innovate, hinter der Lloyds of London steht, und Tusk Ventures dehnt Lemonade den Kreis seiner Investoren nicht nur auf bekannte Namen aus. Das Insuretech arbeitet ab Dezember 2016 auch mit weiteren weltweiten Geldgebern zusammen.


Erfolgreiche Win-Win-Situationen schaffen 


Ein echter Spezialist unter den Geldgebern ist das amerikanische Unternehmen Tusk Venture Capital. Das in New York befindliche Unternehmen kann bislang nur einen Exit bei einem Onlinespiel verzeichnen, ist jedoch auf hoch regulierte Märkte spezialisiert. Finanzdienstleistungen zählen zu diesen. Jordan Nof, ehemaliger Mitarbeiter bei Blackstone, zeichnet für diese Entscheidung als Head on Investments zuständig. 


Am Beispiel von Lemonade verdeutlicht er gegenüber Forbes 2016 die Strategie von Tusk Venture. So erhält Lemonade die erste Versicherungslizenz in einem Bundesstaat sowie intellektuelles Kapital. Im Gegenzug lässt der Erfolg des Unternehmens, in das investiert wird, die Reputation des Venture Capital Gebers ansteigen. Dadurch erhält Nof als für die Investitionen zuständige Person die Möglichkeit mit anderen, renommierteren Unternehmen in Kontakt zu treten. 


Ähnlich äußern sich auch andere Wagniskapitalgeber dieser Finanzierungsrunde über ihre Absichten. Die Gründer Schreiber und Wininger schaffen es weiterhin durch ihre Persönlichkeit und ihre klare Vision, Investoren von der Zukunftsfähigkeit ihrer Absichten zu überzeugen. Dies bleibt auch den Investoren aus dem Ausland nicht verbogen. So investiert nach Lloyd of London die Allianz im Frühjahr 2017 in das StartUp. 


Allianz X steigt bei Lemonade ein 


Wer den Einstieg von Allianz X im April 2017 verstehen möchte, der muss sich näher mit der Konzernstrategie berücksichtigen. Peter Borchers, CEO von Allianz X im Zeitraum von Oktober 2016 bis November 2017, erhielt die Aufgabe, Unternehmen in früher Entwicklungsphase aufzubauen. Diese Strategie verwirft das Unternehmen bald, nachdem es in Lemonade investiert ist.


Seit Ende 2017 möchte Allianz X eher in Digitalinitiativen investieren. Hierbei identifiziert der Nachfolger von Borchers, Dr. Nazim Cetin, laut Pressemitteilung von Allianz die Themenfelder vernetzte Mobilität, vernetzte Gesundheit, vernetzte Gebäude, Vermögensmanagement und Altersvorsorge als Themen von strategischer Relevanz aus Sicht der Allianz. 


Ursprünglich überzeugt Solmaz Altin, Chief Digital Officer bei Allianz SE, am Unternehmen die Vision, das Bild von Versicherungen zu wandeln. Aus diesem Grund, so schreibt das Unternehmen auf der eigenen Webseite, entscheidet man sich zum Investment. "Dieses Investment ist ein eindeutiges Bekenntnis und wird wesentlich zur Annäherung unserer Interessen beitragen", wird Altin weiter zitiert.


Bevor die Allianz als Unternehmen mit der letzten Finanzierungsrunde 2019 den Sprung nach Europa ermöglicht, steigt in der Series C mit SoftBank ein Spezialist für Insuretechs ein. Das japanische Unternehmen wird vor allem von Geldern saudi-arabischer Anleger finanziert. Es sieht das Investment in Lemonade als strategische Option.


So befördert es laut dem Onlineportal Carrier Management die Möglichkeiten mithilfe von Kooperationen beispielsweise mit Uber oder WeWork eine breite Kundengruppe zu erreichen. Da SoftBank auch hieran Anteile hält, ist dieser Gedanke naheliegend. 


Lemonade statt Swiss Re: Alternative oder bessere Konditionen? 


Interessant ist das Engagement jedoch auch aus einem weiteren Grund. Wie Carrier Management weiter berichtet, dient es im Vorfeld zur Teilhabe an Lemonade-Verhandlungen zwischen SoftBank und SwissRe. Gegenstand ist der Einstieg bei dem Schweizer Rückversicherer.


Wie das Handelsblatt berichtet, sind die Gespräche auf beiderseitigen Wunsch eingestellt worden. Über die Gründe ist Stillschweigen vereinbart, jedoch berichten unterschiedliche Medien wie beispielsweise das Manager Magazin darüber, dass SwissRe sich gegen ein rein finanzielles Investment und die Erhöhung der Kapitalquote ausgesprochen habe. Andere Medien berichten darüber, dass es unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe der jeweiligen Anteile gegeben habe. 


Series D: Nun ist auch die Allianz dabei 


In der letzten Finanzierungsrunde, die erst im April diesen Jahres abgeschlossen wird, investiert die Allianz dann auch als Kern-Unternehmen in Lemonade. Grund dafür dürfte die erwartete Expansion nach Europa gewesen sein. Auch ein Grund dürften die finanziellen Erfolge der beiden Vorjahre gewesen sein. 57 Millionen US Dollar Umsatzerlöse (2018) erwirtschaftete das Unternehmen, welches inzwischen zwei Billionen US Dollar wert ist.


Bei all den unterschiedlichen Investoren stellt sich neben den bereits skizzierten Interessen auch die Frage danach, welche Exits möglich sind. Das Onlineportal Carrier Management berichtet darüber, dass zwei Strategien für möglich gehalten werden: Entweder wird das Unternehmen an einen großen Versicherer verkauft oder es wagt einen Börsengang. 


Eigene Initiative oder Kaufabsicht bei der Allianz? 


Im ersten Fall sollen mit Allianz als direktem Investor und AXA als Rückversicherer gleich zwei große Unternehmen an Lemonade interessiert sein. Offizielle Statements zu entsprechenden Absichten gibt es nicht.


Denkt man jedoch die zuvor skizzierte Strategie der Allianz weiter und nimmt die Ankündigung hinzu, im Dezember 2019 einen eigenen Digitalversicherer starten zu wollen, ergibt sich hieraus entweder ein großes Kaufinteresse oder gar keine Kaufabsicht.


Grund für Letzteres dürfte die Strategie der Allianz sein: Man ist in unterschiedliche Insuretechs investiert. Beispielsweise hält die Allianz auch Anteile an Simplesurance. 


Und was ist mit AXA? 


Die Strategie von AXA scheint hier eher diejenige des Geldgebers denn des digitalen Aufkäufers zu sein. 


Somit bleibt ein Börsengang von Lemonade als wahrscheinlichste Option, um die unterschiedlichen Investoren zufrieden zu stellen. Diese Option wird umso wahrscheinlicher, als dass unterschiedliche Onlineportale darüber berichten, dass dies nun ansteht. So berichtet CTech, dass es einen Vertrag mit J.P. Morgan gibt, der den Börsengang binnen der kommenden sechs Monate vorsieht. 


Anthony Noto berichtet für das Onlineportal New York Businessjournal, dass auch ein Vertrag mit Goldman Sachs zum Börsengang geschlossen worden sei. Eine zweite Quelle oder offizielle Aussagen seitens der Unternehmen stehen bis heute aus. 


Wie steht es eigentlich um Lemonade und die Finanzen? 


Da Lemonade derzeit aufgrund der Fokussierung auf Wachtsum noch nicht profitabel ist, muss die Zeit zeigen, ob weitere Produkte denkbar sind. Das Portal CTech berichtet dazu, dass man sich gut hält, jedoch auch das einfachste Produkt genommen habe. Ob und in welchem Umfang das Geschäftsmodell auch auf andere Bereiche übertragbar sei, müsse die Zeit zeigen. 


Gleich wie sich das Unternehmen weiterentwickele, die Expansion in andere Länder sei ein Kerninteresse aller Kapitalgeber, schreibt das Onlineportal Carrier Management. Zugleich sei es laut Matteo Carbone nötig, dass Lemonade sein Konzept weiter prüfe und entwickele, um die eigene Performance deutlich zu verbessern. 


Foto: Lemonade

Original