Katharina Finke

journalist & non-fiction author

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Callcenter für Privatkunden: Mein Internet-Butler in Indien

Keine Zeit für die Fleurop-Bestellung? Keinen Nerv, die eigenen Termine zu organisieren? Nicht nur Konzerne, auch Privatleute können solche Aufgaben in indische Callcenter auslagern. Persönliche Assistenten werden so stundenweise gebucht. Doch die Angebot

Keine Zeit für die Fleurop-Bestellung? Keinen Nerv, die eigenen Termine zu organisieren? Nicht nur Konzerne, auch Privatleute können solche Aufgaben in indische Callcenter auslagern. Persönliche Assistenten werden so stundenweise gebucht. Doch die Angebote haben Schattenseiten.

Ein schmaler Arbeitsplatz in einem schmucklosen Großraumbüro, ein Computer und ein Telefon - mehr braucht Alex Sachin, 22, nicht, um seine Auftraggeber in Übersee zufriedenzustellen. Er ist persönlicher Assistent, die Kundschaft sitzt Hunderte Kilometer entfernt in Europa. "Für sie tue ich alles, was sich per Internet erledigen lässt."

Von seinem Arbeitsplatz in Bangalore managt Sachin Kalender, vereinbart Termine, erledigt Bestellungen, recherchiert den Hintergrund von Geschäftspartnern oder bucht Flüge und Hotels - in Deutschland, Großbritannien, sonstwo. Für bis zu zehn Kunden arbeitet er gleichzeitig, einige kennt er schon eine Weile, andere nehmen seine Dienste nur kurz in Anspruch. Sie beauftragen ihn auf Englisch per E-Mail, im Chat oder telefonisch.

Seit den siebziger Jahren verlegen Großunternehmen ganze Abteilungen ins Ausland, zunächst vor allem Konzerne aus den USA. Spätestens in den neunziger Jahren wurde daraus ein internationaler Trend, von dem gerade Indien profitierte. Die Firmen lagerten zuerst ihre Informationstechnologie, dann die Callcenter und später Verwaltung und Produktdesign aus.

Aber Sachins Arbeit ist anders: Seine Kunden sind allesamt Privatleute, die auf Stundenbasis entlohnen. Er arbeitet bei Get Friday, einem Callcenter-Betreiber, der Privatkunden damit lockt, dass sie nun alles, was ihnen im Alltag lästig ist, nach Indien auslagern können. Der Name spielt auf Robinson Crusoes Gefährten Freitag an, für Robinson stets eine große Hilfe.

"Bitte lesen Sie meiner Freundin erotische Gedichte vor"

Im vergangenen Jahr gingen Anfragen von 1500 Kunden aus 50 verschiedenen Ländern ein. Sie reichen von der Terminorganisation über die Umgestaltung der Küche bis hin zu Aufträgen im Online-Dating. Grenzen gibt es nur wenige. Legal, ethisch und kulturell konform müssen die Anfragen sein. "Einmal hat jemand gefragt, ob wir seiner Freundin erotische Gedichte vorlesen", sagt Geschäftsführer Sunder Prakasham, "das haben wir abgelehnt, weil es nicht mit der indischen Kultur und Empfindlichkeiten unserer Angestellten vereinbar ist."

Aufgaben auslagern - auf Management-Deutsch: Offshoring -, das weckt oft böse Assoziationen: Von Arbeitsplatzabbau in Deutschland, von ausgebeuteten Arbeitskräften in Indien. Wer Arbeit nach Indien verlegt, der macht sich die niedrigeren Kosten dort zunutze und die moderne Informationstechnologie, die den Kontakt über Kontinente hinweg vereinfacht hat.

Inzwischen sind die Angebote auch für Privatpersonen erschwinglich. "Die Nachfrage steigt stetig", sagt Rajesh Shah, 31, von Global Solutions India, einem Konkurrenten von Get Friday. Eine Stunde kostet 11,50 Euro, bei Monatspauschalen kann der Stundenpreis auf 5 Euro sacken. Das Angebot ist rund um die Uhr verfügbar.

Nach drei Jahren auch mal Tagschichten

Dafür arbeiten über 200 Angestellte in vier unterschiedlichen Achtstunden-Schichten. Einsteiger müssen dabei in der Regel die Nachtschichten schieben. "Nach drei Jahren versuchen wir, ihnen Tagschichten oder eine andere Position zu geben", sagt Prakasham. Das durchschnittliche Monatsgehalt der virtuellen Assistenten beträgt 20.000 Indische Rupien, 300 Euro. Für indische Verhältnisse ein ordentliches Gehalt.

"Für die Angestellten sind die Arbeitsbedingungen gut", sagt Marc Vollenweider von der Marktforschungsfirma Evalueserve. Nachtschichten seien in Indien normal und persönliches Offshoring eine gute Einnahmequelle, vor allem für junge Leute, die gerade ihren Hochschulabschluss gemacht haben.

Nachteile sieht er für die Kunden. "Einige Anbieter halten am Ende nicht, was sie versprechen", sagt Vollenweider. Dieter Klein, 52, aus Unterhaching zum Beispiel ist mit Get Friday nicht immer zufrieden. "Oft wechseln die Assistenten oder sind noch ganz neu, das reicht nicht für komplexe Aufgaben", sagt er. Trotzdem nutzt der den Service seit zwei Jahren, meist für einfache Tätigkeiten wie die Erstellung von Powerpointpräsentationen oder Internetrecherche.

Manche Kunden kritisieren das "nicht immer einwandfreie Englisch". 2009 nahm Get Friday einen deutschen Service ins Angebot. Nach eineinhalb Jahren wurde er wieder eingestellt, in Indien gab es zu wenig deutschsprachiges Personal.

Ob sich die Privatassistenten durchsetzen, ist schwer zu sagen. Im Vergleich zum Großkundengeschäft geht es nur um Kleckerbeträge. Vollenweider hat Zweifel, ob solche Angebote zur deutschen Mentalität passen: "Wir geben Aufgaben nicht so gerne aus der Hand und erst Recht nicht so weit weg."

Hier berichten vier Callcenter-Mitarbeiter von ihrer Arbeit für europäische Kunden.

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