Katharina Finke

journalist & non-fiction author

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Literatur aus Frankfurt: Befreit vom Eigentum

Autorin Katharina Finke lebt aus zwei Koffern und ohne festen Wohnsitz. In ihrem Buch „Mit dem Herzen einer Tigerin" berichtet sie über eine junge Frau aus Indien, die sie auf ihren Reisen getroffen hat.

Eigentum verpflichtet. So steht es im Grundgesetz. Katharina Finke hat nicht viel Eigentum - und redet von „Befreiung". Die gebürtige Frankfurterin hat vor mehr als vier Jahren viel von ihrem Besitz verkauft. Seitdem lebt sie aus zwei Koffern. Sie will das so. Sie ist Minimalistin.

Eine Wohnung hat die 30-Jährige nicht. Einen Fernseher braucht sie nicht. Shoppen gehen will sie nicht. Stattdessen reist Finke. New York, Australien, Neuseeland, China, Indien - in Frankfurt, wo sie noch immer gemeldet ist, wo ihre Eltern wohnen, ist sie kaum noch anzutreffen. Eher schon in Berlin bei ihrem Freund. Sie sagt, seit sie ihren Besitz auf das nötigste reduziert hat, lebe sie „intensiver".

Finke ist keine von diesen Menschen, die durch die Welt tingeln und in den Tag hinein leben. Sie liebt Struktur. Als Mädchen habe sie am Abend immer ihre Sachen für den nächsten Tag auf einem Stuhl bereitgelegt, berichtet sie. Heute hat sie bei ihren Eltern in Preungesheim einen Koffer mit Klamotten für die warme oder die kalte Jahreszeit hinterlegt. Wird es kalt, nimmt sie sich die warmen Sachen und zieht damit weiter; wird es warm, wechselt sie zu den Sommersachen. Ganz einfach. Es ist diese Klarheit, die Finke am Minimalismus liebt.

Realität in Indien

Doch wieso glaubt sie, damit intensiver zu leben? Finke erläutert das an einem Beispiel. Wenn sie traurig sei und sich in einem Raum befinde, der nicht mit Möbeln zugestellt und Dingen dekoriert ist, der minimalistisch eingerichtet ist, dann habe sie das Gefühl, intensiver zu trauern, sich stärker mit der Trauer auseinanderzusetzen. Auch beruhige sie es, wenig zu besitzen. Wer wenig materiellen Besitz hat, kann wenig materiellen Besitz verlieren. So einfach.

Derzeit wohnt Finke in einer Wohnung von Freunden in Berlin, die gerade nicht da sind. Geld zum Leben verdient sie als Journalistin und Autorin. Sie ist sich bewusst darüber, dass vieles in dieser Welt nicht von dieser Klarheit ist, die sie liebt, dass die Welt komplex ist. Und für viele eben auch alles andere als einfach.

Im Frühjahr 2014 hat Finke in Indien die junge Frau Amila getroffen. Amila stammt aus Assam im Nordosten Indiens. Als Amila neun Jahre alt war, wurde sie nach Neu-Dehli verschleppt. Mit elf musste sie heiraten, mit zwölf bekam sie ihr erstes Kind. Regelmäßig wird sie seitdem von ihrem Mann vergewaltigt. Der sagt: „Du gehörst mir und ich kann so oft Sex mit dir haben, wie ich will." Heute ist Amila 24 Jahre alt. Sie hat fünf Kinder. Ihr Mann weiß nichts davon, dass sie Finke alles erzählt hat und das Finke alles aufgeschrieben und in einem Buch veröffentlicht hat.

Finke besitzt nicht viel. Aber Amila, berichtet die Autorin, die besitze noch weniger. Unfreiwillig. Und Befreiung ist für Amila auch etwas anderes.

Aus ihrem Buch „Mit dem Herzen einer Tigerin" zum Leben der Inderin Amila liest Katharina Finke heute (26.04) um 19 Uhr beim Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen, Vilbeler Straße 36. [ Wie wollen wir wohnen? Die neue FR-Serie - jetzt digital oder gedruckt vier Wochen lang ab 19,50 Euro lesen. Hier geht's zur Bestellung. ]
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