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Berliner Morgenpost: Nur noch echte deutsche Filme bekommen Lolas

Berliner Morgenpost: "Nur noch echte deutsche Filme bekommen Lolas" Donnerstag, 31. Dezember 2009 12:36 - Von Katharina Dockhorn Die Regeln wurden nochmal verschärft: Wer künftig für den Deutschen Filmpreis nominiert werden will, muss harte Kriterien erfüllen. Ausgeschlossen werden damit diesmal unter anderem Tom Tykwers "The International", David Kross ("Der Vorleser") und der mutmaßliche Oscar-Kandidat Christoph Waltz. Der deutsche Film boomt. Auf über 25 Prozent stieg der Marktanteil der Filme made in Germany. Doch ausgerechnet bei den Auszeichnungen mit den Lolas wird auch 2010 ein Großteil jener Titel fehlen, die für klingende Kassen sorgen. Was zum einen der Geringschätzung - nicht nur deutscher Entscheider - des Lachens geschuldet ist. Komödien haben es bei ihnen schwer, egal ob bei Oscar, Cesar oder Lola. Das Publikum wollte in diesem Jahr im dunklen Kino jedoch vor allem seine Sorgen vergessen. Es schlämmerte mit Hape Kerkeling (), ging auf die Suche nach herzzerreißenden Jungfrauen mit den anderthalb Rittern von Til Schweiger (), setzte auf Comedian Mario Barth oder wollte lustige Abenteuer mit Wickies starken Männern () erleben - bis auf Letzteren wohl keine Titel mit ernsthaften Lola-Aussichten. Schweiger hat seinen Film nach den Querelen der vergangenen Jahre überhaupt nicht angemeldet. Überhaupt, die Lola-Anmeldungen: Wieder einmal wird um Koproduktionen gestritten, für die die Akademie ihre eigene Bewertungsmaßstäbe gefunden hat. Die schließen einen Teil der Filme aus, die an der Kinokasse als deutsch gelten und abräumen. Dort reicht, dass einheimische Produzenten 20 Prozent des Budgets aufgebracht haben, womit der Golden-Globe-Gewinner "Waltz with Bashir" (), "Operation Walküre" ( ) oder Lars von Triers "Antichrist" () für die Statistik als "deutsch" gelten. Damit solche Titel bei der Filmpreis-Gala sicher draußen bleiben müssen, hat die Filmakademie ihre Regularien im Herbst nochmals verschärft. Bislang galt: Regisseur oder Produzent müssen Deutscher, und es muss in deutscher Sprache gedreht worden sein; wenn zwei dieser drei Kriterien erfüllt waren, konnte der Film eingereicht werden. Zum Präzedenzfall wurde Paul Verhoevens "Black Book". Ein holländischer Regisseur und der Berliner Jens Meurer als Produzent standen hinter dem Drama um den holländischen Widerstand gegen Hitler, das in beiden Sprachen gedreht wurde. Carice van Houten wurde für die Lola nominiert. Heute hätte sie keine Chance mehr. Nach den neuen Richtlinien müssen drei Kriterien erfüllt sein. Der Regisseur muss Deutscher sein oder es muss in Deutsch gedreht worden sein. Dazu muss der Produzent einen deutschen Pass haben, und kein Partner aus dem Ausland darf finanziell mehr zu dem Entstehen des Films beigetragen haben als die deutsche Firma. Dieses Regelwerk ist maßgeschneidert für europäische Koproduktionen deutscher Regisseure wie Hans-Christian Schmids "Sturm", Sherry Hormans "Wüstenblume", Sönke Wortmanns "Päpstin" (), Detlev Bucks "Same same but different" oder Michael Hanekes "Das weiße Band". Tom Tykwers "The International" () ist dagegen ein Opfer der neuen Regel. Er wäre im Vorjahr noch qualifiziert gewesen, in diesem Jahr ist er raus. Ebenso wie seine Regiekollegen aus aller Welt, die in den vergangenen Monaten zwischen Nordsee und Görlitz drehten. Weder Polanski noch Stephen Frears oder Bryan Singer - keiner hat in Deutsch gedreht. Auch nicht Michael Hoffman, für dessen hochgelobte Tolstoi-Liebesgeschichte "Ein russischer Sommer" Helen Mirren beim Filmfestival von Rom als beste Darstellerin geehrt wurde. Produzent Jens Meurer hat das Werk bei der Filmakademie eingereicht. Schließlich hat seine in Halle beheimatete Firma das Projekt entwickelt, den Film komplett in Deutschland hergestellt und 90 Prozent des Budgets gestemmt. "Die Filmakademie vergibt nicht ihre privaten Einkünfte, sondern Steuermittel. Wie kann dann eine private Institution beschließen, nach Gutdünken Filme mit deutschem Ursprungszeugnis einfach nicht zuzulassen?" fragt sich nicht nur Meurer. Es gehe der Akademie wohl eher darum, die mit den Lolas verbundenen Preisgelder von drei Millionen Euro im engeren Kreis zu verteilen. Der Produzent denkt an die deutschen Mitarbeiter, die um ihre Nominierungschance gebracht werden. Allen voran Sebastian Edschmid, der für "Ein russischer Sommer" oder "Ein Leben für ein Leben" hinter der Kamera stand. Auch Joachim Król hat keine Chance, für seine fulminante Leistung als Holocaust-Überlebender in Paul Schraders Drama eine Nominierung zu erhalten. Produzent Werner Wirsing, der nicht nur der kreative Kopf hinter dem Drama war, sondern auch drei Millionen aus seiner eigenen Tasche in das Budget steckte, ist empört über den möglichen Ausschluss seines Dramas über die Folgen des Holocaust. Auch David Kross, für den Europäischen Filmpreis in "Der Vorleser" () nominiert, müsste nach den Regeln der Filmakademie draußen bleiben. Christoph Fisser und Carl Woebcken vom Studio Babelsberg haben die Bestseller-Verfilmung trotzdem für die Lolas angemeldet. "Überall auf der Welt wird sie als deutscher Film gefeiert, auch beim Europäischen Filmpreis ist sie so eingestuft worden. Es wäre schade, wenn das Drama sich ausgerechnet hier, wo es gedreht worden ist, nicht für die Filmpreise qualifizieren könnte", sagt Fisser, der auch darauf verweist, dass das Studio seine Preisgelder stets in deutsche Filme investiert habe. Für den Zuschauer ist das Gerangel kaum noch zu durchschauen. Er fragt sich nur, warum ein Film mal deutsch, mal nicht deutsch ist. Und warum es John Goodman und David Wenham in der "Päpstin" ebenso wie Schauspielerinnen aus Thailand oder Äthiopien auf die Nominierungsliste bringen, Christoph Waltz in "Inglorious Basterds" () aber nicht. Für ihn wetten die Babelsberger auf eine Oscar-Nominierung.

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