"Kein Grund sich zu schämen, sondern sich helfen zu lassen." - Unter diesem Motto informiert die gleichnamige Plakatkampagne der Stadt Offenbach Frauen und Mädchen über die Möglichkeiten der medizinischen Sofortversorgung nach einer Vergewaltigung. Denn neben Scham ist es oftmals Unwissenheit, die verhindert, dass betroffene Frauen rechtzeitig oder überhaupt medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Ärztin auf dem Plakat kennen einige schon aus Frankfurt, wo das Motiv des Frauennotrufs neben anderen an Bahnstationen ausgehängt wurde. Ab dem 1. August werden die Plakate nun für ein Jahr lang in 25 Prozent aller Fahrzeuge der Offenbacher Verkehrsbetriebe (OVB) durch das gesamte Stadtgebiet fahren. Im Laufe des Jahres sind sie auf jeder einzelnen Linie zu sehen. Der Bus sei der ideale Ort, um möglichst viele Frauen anzusprechen, so Frauenbeauftragte Karin Dörr: „Viele Frauen fahren Bus, viele Schülerinnen, alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten. Auf diesem Wege erreichen wir sie am besten."
Der Startschuss für das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" fiel Anfang des Jahres. Zentraler Punkt ist, dass die Offenbacher Kliniken sich darauf verständigt haben, Frauen nach einer Vergewaltigung zu behandeln, ohne sie zu einer Anzeige bei der Polizei zu drängen. Karin Dörr arbeitet hierzu eng mit dem Ortsverband von Pro Familia, dem Sana-Klinikum, dem Ketteler-Krankenhaus und dem Verein Frauennotruf Frankfurt zusammen. Dass es sich dabei um ein niedrigschwelliges Angebot handelt, ist Bürgermeister Peter Schneider (Grüne) wichtig.
Denn tatsächlich schrecken viele Frauen vor einer Anzeige zurück und nehmen so gar nicht erst die nötige medizinische Hilfe in Anspruch. Erschwerend hinzu komme, so Katharina Kosse, Gynäkologin am Sana-Klinikum, dass einige Frauenärzte selbst oft ratlos sind - und aus Angst oder Unwissenheit nur behandelten, wenn gleichzeitig eine Anzeige gestellt wird. Zur medizinischen Erstversorgung zähle dann auch, dass die Frauen bei Bedarf gegen Hepatitis B geimpft werden oder desinfizierende Zäpfchen erhalten.
Auch die Pille danach sei ein wichtiger Aspekt, ergänzt Bettina Witte de Galbassini, Ärztin bei Pro Familia Offenbach: An eine mögliche Schwangerschaft durch die Vergewaltigung würden viele Frauen erst einmal gar nicht denken. Nicht zuletzt könne eine gute medizinische Versorgung auch der erste Schritt zur Verarbeitung des Erlebten sein.
Neben der medizinischen Hilfe bietet das Projekt betroffenen Frauen auf Wunsch eine vertrauliche Spurensicherung. Auf diese Weise kann noch bis zu einem Jahr nach der Vergewaltigung Anzeige erstattet werden. Pro Familia kümmert sich um die hierzu nötigen Schritte, organisiert zum Beispiel den Kuriertransport der gesicherten Materialien in die Rechtsmedizin.
Die Projektinitiatoren hoffen, dass sich künftig noch mehr Betroffene helfen lassen. Für die Zukunft plant Karin Dörr, ergänzend zur Plakatkampagne auch die Aufklärungsfilme des Frauennotrufs ausstrahlen zu lassen: Zum Beispiel im Cinemaxx. Die erste Auswertung für das vorerst auf vier Jahre angelegte Projekt soll nach einem Jahr erfolgen.