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Spektakuläre Radarsignale: Der See unter dem Marsgletscher

Schon recht früh entdeckten die Forscher in den Messdaten auffällige Radarechos aus Richtung der südlichen Polkappe, die aber bei genaueren Analysen immer wieder verschwanden. Erst als die Wissenschaftler vor einigen Jahren die Datenverarbeitung an Bord der Sonde verbesserten, verschwanden die Signale nicht mehr. "Danach mussten wir nur noch zeigen, dass das Echo wirklich durch Wasser entsteht", sagt Roberto Orosei im Gespräch mit "Spektrum.de".

Feuchte Sedimente statt einer Sensation?

Mittlerweile ist sich das Forscherteam sicher, nicht etwa nur auf besonders gut reflektierendes CO 2-Eis zu blicken, sondern auf flüssiges Wasser. Ob es ein richtiger See ist, eine Art Schlamm oder wassergesättigtes Sediment, können die Wissenschaftler allerdings noch nicht sagen. Auch warum das Wasser hier flüssig bleibt, während es überall sonst auf dem Mars wahlweise verdunsten oder zu Eis erstarren würde, ist bisher offen. Denn während auf der Erde allein der Druck von mächtigen Gletschern ausreicht, um Wasser in der Tiefe flüssig zu halten, sind die Eismassen auf dem Mars dafür zu leicht.

Die Wissenschaftler schlagen daher eine auf dem Mars omnipräsente Chemikalie vor, die als potentes Frostschutzmittel wirken dürfte: Diese so genannten Perchlorate haben bislang alle gelandeten Raumsonden nachweisen können, die Instrumente zur chemischen Analyse mit an Bord hatten. Der 2008 in kalten nördlichen Breiten gelandete Phoenix der NASA fotografierte sogar einige Wassertröpfchen an seinen Landebeinen, die vermutlich dank des darin gelösten Perchlorats nicht sofort verdampften.

"Unter dem Eis herrscht eine sehr ungastliche Umwelt"(Jennifer Wadsworth, Universität Edinburgh)

Auch unter der südlichen Polkappe dürfte es Perchlorate geben. Einen subglazialen See würden die chemischen Verbindungen bis zu einer Temperatur von minus 75 Grad Celsius flüssig halten. Roberto Orosei hält diesen Wert auf Grund des Klimas rund um den Südpol für eine plausible Minimaltemperatur für die Unterseite des Gletschers und somit den Rand des Gewässers.

Ätzende Chemie und tödliche Kälte

Die hohe Konzentration von Perchloraten ist allerdings nicht unbedingt eine gute Nachricht für Exobiologien, die die Möglichkeiten für außerirdischen Leben erforschen. Denn die Existenz von Organismen unter dem Eis wird durch die Salze recht unwahrscheinlich, schließlich sind Perchlorate reaktionsfreudige chemische Verbindungen, die stark ätzend wirken.

Roberto Orosei verweist zwar auf bekannte Organismen auf der Erde, die in stark salzhaltigem Wasser überleben und die Perchlorate sogar für ihren Stoffwechsel verwenden können. Jennifer Wadsworth von der Universität Edinburgh ist dagegen skeptisch. Sie untersuchte im vergangenen Jahr, wie hoch konzentrierte Perchlorate gemeinsam mit UV-Strahlung auf salztolerante Mikroorganismen auf der Erde wirken. Dabei zeigte sich, dass die Strahlung die Perchlorate offenbar in noch reaktionsfreudigere Bestandteile zersetzt, die ihrerseits innerhalb kurzer Zeit jede biologische Zelle zerstören. Diese Zersetzungsprodukte gibt es laut Wadsworth sicher auch tief unter dem Eis, etwa aus früheren Zeiten, bevor die Gletscher entstanden.

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Das Gemisch aus Perchloraten auf dem Mars ist also ein potentes Desinfektionsmittel, das laut Jennifer Wadsworth auch tief unter einem Gletscher erhalten bliebe: "Dort herrscht eine sehr ungastliche Umwelt", sagt sie. Hinzu kommt, dass das Gewässer bei minus 75 Grad Celsius viel zu kalt für irdische Mikroorganismen wäre. Normalerweise erfrieren diese spätestens bei minus 20 Grad. Kurzum: Leben kann sich dort vermutlich nur ausbreiten, wenn es sich deutlich von dem unterscheidet, was wir kennen.

Roberto Orosei will das Ergebnis seines Teams nun erst einmal mit anderen Instrumenten bestätigen. Das zweite derzeit im Marsorbit arbeitende Radargerät namens SHARAD an Bord des Mars Reconnaissance Orbiter der NASA hat nämlich bislang gar keine Hinweise auf diesen See entdeckt. Erst wenn damit ein unabhängiger Nachweis des Sees gelingt, wäre vermutlich die Zeit gekommen, die Suche nach Leben auf dem Mars stärker auf die Polkappen zu fokussieren.

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