Manchmal stehen sie im Dreck. Manchmal sind die Kinder mit blauen Flecken übersät. Manchmal wünschten sie, das wäre schon alles. Seit April gibt es die schnelle Eingreiftruppe des Jugendamtes von Marzahn-Hellersdorf – sie ist oft der letzte Verbündete der Kinder.
Auf seinem Rücken trägt er einen prallen, vollgepackten Rucksack. Darin ist alles, was er vermutlich brauchen wird, jetzt, da er nicht mehr zu Hause leben darf. Zahnbürste, Unterhosen, Hemden, ein Parfüm: Route 66. Die Flasche hatte ihm seine Mutter gebracht. Wann er wieder zu ihr zurückkann? Morgen, da ist er sich sicher. Doch die Wahrheit ist, dass keiner abschätzen kann, wie lange es doch dauern wird. Einen Tag, eine Woche, einen Monat. Länger?
Matthias heißt der Junge. Acht Jahre ist er alt. Er steht vor dem Eingang einer Berliner Kinderpsychiatrie. Hier hat er die Nacht verbracht, doch hier kann er nicht bleiben. Er ist nicht selbstmordgefährdet, er schlägt auch nicht seinen Kopf gegen die Wand, also musste er sein Bett räumen. Nun wartet er. Seine Augen huschen die Straße rauf und runter, dann balanciert er über ein Holzgeländer, untersucht ein parkendes Motorrad, dann sagt er, wie aus dem Nichts:
„Die Polizei war gestern in meinem Zimmer."
„Warum?", fragt Anja Hartfiel, Sozialarbeiterin vom Jugendamt, Abteilung Krisenintervention, Bezirk Marzahn-Hellersdorf.
„Weil ich ein Messer hatte."
„Warum hattest du ein Messer?"
„Weil ich damit meine Mutter abstechen will."
Stille.
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