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Mit Bauchschmerzen verabschiedet

Pkw-Maut im Bundestag durchgebracht - auch gegen 41 Stimmen aus den Reihen der Regierungskoalition: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU; Mitte) nimmt's mit einem Lächeln. Foto: dpa

Berlin - So richtig will die Pkw-Maut nur die CSU. Sie gilt nach Scheitern des Erziehungsgeldes als letztes Prestigeprojekt der bayerischen Partei und sollte noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Nicht einmal der Koalitionspartner SPD kann sich in der Bundestagsdebatte vor der Abstimmung zum Infrastrukturabgabegesetz zu einer Verteidigung der Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) durchringen.

Als Dobrindt am Freitag sein überarbeitetes Gesetz gleich zu Beginn der Plenarsitzung als „europäisches Projekt" bezeichnet, ertönt hämisches Gelächter - nicht nur aus den Reihen der Opposition. Einige Mitglieder der SPD können ebenfalls nicht umhin, wenigstens resigniert mit dem Kopf zu schütteln. SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol macht anschließend an Dobrindts Rede klar: „Die SPD stimmt nur unter großen Bauchschmerzen zu."

Zweiter Anlauf

Nach dem Einspruch der EU-Kommission gegen das ursprüngliche Gesetz muss die SPD das von ihr ungeliebte Projekt des Koalitionspartners nun schon zum zweiten Mal mittragen. Schließlich hatten Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart: Die Sozialdemokraten stimmten der Pkw-Maut zu, solange sie europarechtskonform sei und für keinen deutschen Autofahrer Mehrkosten bedeutete. Die unklare Höhe der durch die Maut zu erwartenden Einnahmen war der SPD zusätzlich ein Dorn im Auge. Während Dobrindt nämlich mit bis zu 500 Millionen Euro mehr im Jahr für Straßen und Brücken rechnet, waren sich die dazu angehörten Verkehrsexperten nicht einig, ob überhaupt Mehreinnahmen zu erwarten seien.

Nachdem aber auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Anfang der Woche Dobrindts umstrittene Rechnungen bestätigte, sah sich die SPD genötigt, ein zweites Mal zuzustimmen. „Für uns war anderes wichtiger", sagte Bartols Partei-Kollege Sebastian Hartmann entschuldigend. Die SPD hat Angst, die Union würde unter anderem das für sie wichtige Entgeltgleichheitsgesetz blockieren, sollte Dobrindts Maut an den fehlenden Stimmen der Sozialdemokraten scheitern.

„Eine peinliche Posse", nannte der aufgebrachte Anton Hofreiter von den Grünen das Verhalten der SPD-Abgeordneten deshalb in der Debatte. „Sie sind Beute einer Provinz-Partei aus Bayern!", rief er den SPD-Parlamentariern mit hochrotem Kopf zu. Und erinnerte: „Es kann einen niemand dazu zwingen, den größten Unsinn mitzutragen. Das macht man bereitwillig." Auch Herbert Behrens von den Linken warf der SPD Teilnahmslosigkeit vor.

Einigen Abgeordneten der Sozialdemokraten könnte dies zu denken gegeben haben: Obwohl das Gesetz mit der Mehrheit von Union und SPD angenommen wurde, gab es auch einige Gegenstimmen aus der Koalition: 29 Abgeordnete der Sozialdemokraten lehnten den Gesetzesentwurf ab. In einer Probeabstimmung zuvor hatten lediglich zehn SPD-Abgeordnete dagegen gestimmt. Auch zwölf Parlamentarier der Union verweigerten ihre Zustimmung. Da nutzte es wohl auch nichts, dass CDU-Politiker Philipp Murmann in der Debatte schon einmal die Überprüfung der Maßnahmen in zwei Jahren angekündigt hatte.

Die Argumente der Maut-Gegner sind vielfältig: Einige befürchten, mit der Maut ein Bürokratiemonster zu erschaffen, das letztendlich nur Geld koste statt bringe. Der Linken-Politiker Thomas Lutze verglich die Maut gar mit der früheren Praxisgebühr, die auch nicht lange in Kraft blieb. Der schwerwiegendste Einwand gegen die Maut ist und bleibt aber die mögliche Diskriminierung von EU-Ausländern. So ließ Anton Hofreiter von den Grünen das Argument, dass Deutsche schließlich auch in Österreich, Frankreich oder Italien Maut zahlen müssten, nicht gelten: „In Österreich, Frankreich und Italien zahlen alle Bürger - einheimische und ausländische."

Österreich hat unterdessen bereits Widerstand gegen die Maut-Pläne angekündigt. Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried von der SPÖ sagte am Freitag: „Die Abgeordneten im Bundesrat müssen jetzt die Reißleine ziehen und die diskriminierende Ausländer-Maut zu Fall bringen." Sollte das nicht geschehen, halte sich Wien eine Klage offen.

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