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Österreichische Matura statt bayerisches Abitur

Die sechste Klasse im Gymnasium wiederholt Johannes Andersen freiwillig, in der Siebten bleibt er sitzen. In der neunten Klasse dann, steht Johannes wieder auf der Kippe - vor allem Mathe fällt ihm schwer: "Die Lücken wurden zu groß, ich wusste vieles nicht und ja - wer da nicht mitkommt, hat halt verloren", erzählt er.

Wegen seiner schlechten Noten wird er gemobbt, entwickelt Prüfungsangst - noch einmal wiederholen kommt nicht in Frage. Also runter auf die Realschule? Dafür ist er zu alt, bräuchte eine Ausnahmegenehmigung. Außerdem will Johannes später unbedingt an die Uni: "Da ich schon lange Medizin studieren will, ging es darum, dafür zu sorgen, dass ich irgendwie zu einem Hochschulabschluss komme", sagt Johannes.

Gemeinsam mit seiner Mutter schaut er sich nach Alternativen um und entscheidet sich für eine Privatschule in München - das Lehrinstitut Bencic im Münchner Stadtteil Obersendling. Hier lernt er nun für die österreichische Matura statt für das bayerische Abitur.

Prüfungen nacheinander abhaken

Hier hat Johannes (18) nur in den Hauptfächern kontinuierlich sechsstündig Unterricht pro Woche. Dazu kommt ein Epochenfach mit bis zu acht Doppelstunden - momentan Informatik. Nach drei Monaten intensiver Vorbereitung fährt er dann mit seiner Klasse nach Salzburg, um dort die Prüfung abzulegen. Dass er so peu à peu ein Fach nach dem anderen abhaken kann, hilft Johannes sehr. In der zehnten Klasse schließt er Mathe mit einer eins ab.

Mit Matura in Deutschland studieren

Die österreichische Matura ist international anerkannt, Johannes Andersen würde damit nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland studieren können. In zwei Jahren will er die Prüfungen ablegen. Aber selbst, wenn es dann in einem Fach hapern sollte: Prüfungstermine gibt es nicht - wie beim bayerischen Abitur - nur einmal im Jahr, sondern alle drei Monate. Und wer durchfällt, muss nicht die ganze Matura wiederholen - sondern nur das Fach, in dem er durchgefallen ist, erklärt der Konrektor der Schule, Christoph Bencic.

Schafft so jeder die Hochschulreife?

Die Prüfungen nacheinander gestaffelt, außerdem darf man nicht bestandene Prüfungen zweimal wiederholen - anstatt wie beim bayerischen Abitur nur einmal. Schafft so nicht jeder die Hochschulreife?

"Leider nicht. Wir versuchen ja allen zur Matura zu verhelfen. Und es gibt einige Vorprüfungen und Epochenfächer - die sind anspruchsvoll. Doch, dann gibt's auch leider wieder Abbrüche." Christoph Bencic

Stofflich sei die Matura dasselbe wie das Abitur. Nur die gezielte Vorbereitung sei für die Schüler eben von Vorteil. Aber egal ob Matura oder Abitur - ohne Fleiß und Ausdauer klappe es eben nicht.

Hochschulreife ist nachgefragt

Die Nachfrage nach einem Hochschulabschluss ist groß - das spürt man auch am Institut Bencic: "Das kriegen wir gewaltig mit. Wir hatten bis vor einiger Zeit den Quali im Programm und die Attraktivität geht verloren. Wir merken es auch bei der mittleren Reife, die zurückgeht - Hauptsache Abitur, Abitur, studieren, studieren."

Besonders schwierig: Nicht immer komme die Motivation für den höheren Bildungsabschluss von den Schülern selbst. Christoph Bencic fällt auf, dass viele Eltern ihre eigenen verpassten schulischen Laufbahnen beim Kind nachholen wollen und versuchen, ihrem Kind irgendwie zu einer Hochschulreife zu verhelfen.

Hohe Schulgebühren

Dafür nehmen die Eltern einiges auf sich: 480 Euro kostet der Unterricht am Lehrinstitut Bencic pro Monat. Extras wie Nachhilfestunden kommen noch oben drauf. Das ist verglichen mit anderen Privatschulen in München zwar relativ günstig. Trotzdem: Nicht jeder kann sich das leisten.

Für Johannes Andersen war es trotzdem der richtige Weg. Zwei Jahre noch, dann hat er die Matura in der Tasche. Und dann? Ab an die Uni - um sich seinen Traum zu erfüllen: "Genau, um eben Medizin zu studieren - wenn der Schnitt reicht." An einem bayerischen Gymnasium hätte er den Hochschulabschluss nicht geschafft, da ist sich Johannes sicher.

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