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„MauAR" - Eine App, mit der ein historisches Haupstadtgefühl ensteht

Fast eine Stunde nahm sich Apple-Chef Tim Cook im Oktober Zeit, um sich die App von Peter Kolski am Brandenburger Tor erklären zu lassen. Foto: picture alliance/dpa

Der Weg zum Brandenburger Tor ist versperrt. „Achtung! Sie verlassen jetzt West-Berlin", warnt ein Schild - zum Glück nur, wenn man auf sein iPhone schaut. Mit der App „MauAR" wird das Smartphone zum Zeitfenster in die Vergangenheit: Eine virtuelle Berliner Mauer blockiert die Sicht zum ehemaligen Ostberlin. Es ist erstaunlich, wie echt das aussieht. Vorbeifahrende Autos und die Menschen auf der anderen Straßenseite, die Richtung Pariser Platz schlendern, verschwinden auf dem Bildschirm hinter der Mauer. Möglich ist diese Zeitreise mit Hilfe von modernster Technologie: Durch Augmented Reality und GPS-Lokalisierung erscheint die Berliner Mauer wieder an den Originalorten.

Apple-Chef Cook beeindruckt

Die App-Idee für „MauAR" haben die beiden Berliner Peter Kolski und Sebastian Strauß entwickelt. Sie hat sogar Apple-Chef Tim Cook beeindruckt. Bei seinem Berlin-Besuch hatte er sich mit Peter Kolski am Mauerstreifen vor dem Brandenburger Tor getroffen. Cook nahm sich fast eine Stunde Zeit, um sich das Projekt in allen Details erklären zu lassen. Kolski zeigte ihm, welche Idee hinter „MauAR" steckt. Cook gefiel der Tatendrang und der Idealismus. Als Vorreiter auf dem Gebiet von Augemented Reality bezeichnete Cook im Gespräch das Berliner Team.

Kolski zeigte dem Apple-Chef am Brandenburger Tor, wie mit moderner Technik die Geschichte der Mauer nachvollziehbar gemacht wird. Aus allen Perspektiven kann man die Mauer durch sein Smartphone betrachten, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt springen und dabei beobachten, wie aus einem Stacheldraht der hohe Betonwall wird. Historische Videos, Fotos und Tonaufnahmen, die am zugehörigen Ort in der Luft schweben, vermitteln, wie es damals im geteilten Berlin war. Strauß sagt: „Das gemeinsame Erlebnis soll die Menschen zusammenführen."

Bald soll es sogar möglich sein, auf die virtuelle Mauer zu malen. Es sei eine neue Art, wie man von der Vergangenheit lernen könne, tweetete der Apple-Chef später, der ein großer Fan von Augmented Reality ist. Er freue sich schon auf die App im App Store, wo sich Nutzer ab dem 9. November, Tag des Mauerfalls, registrieren können. Dass der CEO von Apple so stark an ihre Idee glaubt, motiviert die beiden ungemein. „Das gibt uns ganz viel Kraft", sagt Kolski. Das Besondere an diesem Projekt ist nämlich auch, dass keine finanzstarke Agentur dahintersteckt, sondern zwei Tüftler, die mit viel Engagement und Leidenschaft in ihrer Freizeit die App entwickelt haben. Vor allem für Kolski ist es eine Herzensangelegenheit. Er hatte die Idee vor einem Jahr während des Hackathons „Coding Da Vinci", einem Wettbewerb bei dem Programmieren und Musen zusammenkamen.

„Most Technical"

Als die Stiftung Berliner Mauer ihr Archiv vorstellte, wusste er sofort, dass er mit diesen Daten eine AR-Anwendung schreiben wollte. „Es ist kein Spiel, sondern eine ernsthafte Anwendung, die den Menschen wirklich etwas bringt", sagt er. Sein Erstentwurf der App gewann den Preis in der Kategorie „Most Technical". Anfangs waren sie noch ein vierköpfiges Team, doch alle anderen sprangen aus verschiedenen Gründen nach kurzer Zeit wieder ab. Daher war Kolski froh, als sein Schulfreund Sebastian Strauß zu seinem Partner wurde. Strauß kümmert sich vor allem ums Marketing und unterstützt Kolski bei der Entwicklung.

Beide haben einen persönlichen Bezug zur Mauer: 1980 und 1981 geboren, sind sie im Westen in Reinickendorf nahe der Grenze aufgewachsen. Sie erinnern sich an den Smog, an die Aussichtsplattformen, von denen sie als Kinder Richtung Osten geblickt haben, wie sie Nachrichten mit Luftballons hinüber geschickt haben.

Strauß' Vater floh in den Westen, dessen Eltern sind in Ostberlin geblieben. Kurz nach der Wende hat Kolski mit seiner Schulklasse einen Ausflug ins ehemalige Ostberlin unternommen: „Sie haben die gleiche Sprache gesprochen, aber es war ein anderes Land. Alles war anders", erzählt er. Als sogenannte Mauerspechte klopften sie Mauerteile ab und spielten im ehemaligen Todesstreifen.

Stacheldraht und Todesstreifen

Der Eindruck, wenn man die App ausprobiert: Es ist ein düsteres Gefühl, vor der meterhohen Mauer und ihren Wachtürmen zu stehen. Noch beklemmender wird es, wenn man in den Todesstreifen gelangt - umgeben von Mauern, Stacheldraht und Soldaten. „Es geht uns um dieses immersive Erlebnis", sagt Strauß. „Man soll wirklich ein Gespür dafür bekommen, was es bedeutet, wenn eine Stadt durch eine Mauer geteilt ist." Auch andere Apps haben sich dem Thema Berliner Mauer bereits gewidmet, zum Beispiel die Apps „Die Berliner Mauer" und „Mauerschau", die mobile Stadttouren am Grenzstreifen entlang anbieten.

Eine Art Stadtführung fehlt der „MauAR"-App noch, doch bei keiner anderen App wird die geteilte Stadt so visuell greifbar wie bei ihr. Augmented Reality bietet die Möglichkeit, Geschichte tatsächlich erlebbar zu machen. Das ist nicht nur für Touristen spannend, sondern auch für alle Berliner, die nach 1989 geboren wurden, hoffen die Macher. Kolski sagt: „Du nimmst das Handy runter, und die Mauer bleibt im Gedächtnis." Cook ließ sich das Ergebnis direkt am Brandenburger Tor zeigen. Sein Kommentar lautete: „Dank an Peter Kolski und das mauAR-Team, dass sie die Geschichte der Berliner Mauer durch Augmented Reality zum Leben erweckt haben - eine neue Art, aus der Vergangenheit zu lernen."


Infobox:

Augmented Reality (AR) erweitert die existierende Welt um uns herum mit computergenerierten Ergänzungen, zum Beispiel mit Infotexten, Bildern, Videos oder virtuellen Objekten, die auf dem Bildschirm erscheinen oder durch eine Brille sichtbar werden. Das bekannteste Beispiel ist das Spiel „Pokemon Go".

Bei Virtual Reality (VR) erschafft die Technik eine eigene virtuelle Wirklichkeit. Der Nutzer setzt eine massive Brille auf, die Bewegtbilder geben ihm dann das Gefühl, fremde Welten zu entdecken. So gab es spektakuläre Projekte, die den Betrachter nach Tschernobyl führten oder in das letzte Bergwerk im Ruhrgebiet.

Die App „MauAR" haben die Berliner Peter Kolski und Stefan Strauß entwickelt. Ab dem 9. November 2018 sollen sich mögliche Nutzer in Apples App-Store registrieren können. Ursprünglich sollte die App an dem historischen Daten gestartet werden, aber das ist technisch noch nicht möglich. Mehr Infos unter: www.mauar.berlin


Ein Text von Julika Bickel.


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