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Kultur in neuem Gewand

Beim Programmiererwettbewerb Coding da Vinci schließen sich junge Kreative zusammen. Foto: privat

Wer gewinnt den Hackathon "Coding da Vinci"?


Schnell ein Selbstporträt mit dem Handy aufgenommen und ein Bäckerjunge aus dem Jahr 1900 lächelt zurück. Die App „Zeitblick" zeigt zu jedem Selfie ein passendes Foto aus der Vergangenheit. Per Gesichtserkennung sucht die App aus mehr als 1 300 Porträts der Kunstgeschichte das Bild mit dem Gesicht aus, das der eigenen Mimik am meisten ähnelt. Die App war im vergangenen Jahr einer der Gewinner des Kultur-Hackathons „Coding Da Vinci".

Auf einem Hackathon - einer Wortschöpfung aus „Hack" und „Marathon" - werden Softwareprodukte in kleinen Gruppen entwickelt. Coding Da Vinci ist der erste deutsche Hackathon für offene Kulturdaten. Alle Daten und Produkte stehen unter einer offenen Lizenz.

Programmierwettbewerb

Zum vierten Mal findet der Programmierwettbewerb bereits statt, gegründet wurde er von der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Open Knowledge Foundation Germany, der Servicestelle Digitalisierung Berlin und Wikimedia Deutschland. Anders als bei klassischen Hackathons, die meist nur ein Wochenende dauern, haben die Teams sechs Wochen Zeit, um einen Prototypen zu entwickeln. Eine Jury vergibt am 2. Dezember Preise in den fünf Kategorien „Most Technical", „Most Useful", „Best Design", „Funniest Hack" und „Out of Competition". Die Verleihung im Jüdischen Museum ist öffentlich, einen Publikumspreis gibt es auch.

Hackathon - was ist das?

Ein Hackathon (Wortschöpfung aus „Hack" und „Marathon") ist eine kollaborative Software- und Hardwareentwicklungsveranstaltung. Alternative Bezeichnungen sind „Hack Day", „Hackfest" und „codefest". Ziel eines Hackathons ist es, innerhalb der Dauer dieser Veranstaltung gemeinsam nützliche, kreative oder unterhaltsame Softwareprodukte herzustellen.

Die Teilnehmer kommen üblicherweise aus verschiedenen Gebieten der Software- oder Hardwareindustrie und bearbeiten ihre Projekte häufig in funktionsübergreifenden Teams. Hackathons haben immer ein spezifisches Thema oder sind technologiebezogen. Nachdem sich die Teams gebildet haben, findet die eigentliche Arbeitsphase statt, die zwischen einigen Stunden bis mehrere Tage lang dauert.

Häufig startet ein Hackathon mit einem oder mehreren Vorträgen zum Thema des Hackathons. Anschließend werden Themenvorschläge und Ideen für Projekte gesammelt und Teams gebildet. Diese bilden sich selbstorganisiert nach Interesse und Fähigkeiten und sind idealerweise funktionsübergreifend, das heißt Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten arbeiten zusammen.

Der Hackathon startete mit einem Kick-Off-Wochenende am 21. und 22. Oktober in der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Mehr als 120 Menschen aus verschiedenen Kultur- und Technikbereichen trafen aufeinander. Entwickler, Designer, Gamer, Künstler und Kulturinteressierte vernetzten sich mit den Vertretern von 19 Kulturinstitutionen. GLAMs werden solche Institutionen auch genannt, eine Abkürzung für „Galleries, Libraries, Archives and Museums". Anja Müller von der Servicestelle Digitalisierung Berlin hofft, dass noch mehr Kultureinrichtungen in Zukunft mitmachen. Manche hätten urheberrechtliche Bedenken. „Der Hackathon ist nichts, wovor man Angst haben muss, sondern eine Chance", sagt sie.

Genau eine Minute hatten die GLAMs Zeit, um ihre Daten im Plenum vorzustellen. „One Minute Madness" wird diese Methode genannt, die bei 31 Datensets durchaus sinnvoll war. Danach konnten die Institutionen parallel in verschiedenen Räumen ihre Daten noch etwas ausführlicher präsentieren. Das Deutsche Technikmuseum zeigte seine historische Fahrkartensammlung, die Staatsbibliothek zu Berlin hatte vier digitalisierte historische Berliner Tageszeitungen mitgebracht. Das Wegemuseum aus der Gemeinde Wusterhausen - besser bekannt unter dem Spitznamen „Schusterhausen" - wünscht sich ein Softwareprodukt, mit dem das Handwerk des Schusters wieder zum Leben erweckt wird.

Teams beginnen zu coden

Zurück im Plenum wurden 25 Projektideen gepitcht. Eine Teilnehmerin will mit den Zeichnungen aus Bertuchs „Bilderbuch für Kinder" ein Online-Abenteuerspiel für Kinder entwickeln, dafür suche sie noch Designer. Ein anderer fand, man müsse die bunten Käfer vom Naturkundemuseum unbedingt mal nach Farben ordnen. Das Projekt „MauAR" soll eine Augmented-Reality-App werden, in der historische Fotos der Berliner Mauer an den Orten des Geschehens zu sehen sein sollen. Schnell bildeten sich Teams, die anfingen, zu coden und erste Design-Entwürfe zu zeichnen.

An einem Tisch diskutierte eine Gruppe darüber, welche Risiken im Umgang mit historischen Daten bestehen. Ein „Selfie in the past" könne je nach Bildhintergrund schnell respektlos werden, ähnlich wie die Selfies vor dem Berliner Holocaust-Mahnmal, gab eine von ihnen zu bedenken. „Man trägt eine gewisse Verantwortung, wie man die Daten präsentiert."
Beeindruckend ist vor allem, dass alle ehrenamtlich an Coding Da Vinci teilnehmen.

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