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Die Anatomie eines Hits - gibt es die wirklich?

Wir alle kennen diese Songs, bei denen wir nicht anders können, als ungezügelt mitzusingen. Aber warum zur Hölle ist das eigentlich so?

Sonntag Nachmittag, die Sonne steht tief, die Luft ist schwül, das Wasser der Dusche kalt. Irgendwo aus der Ferne dröhnt er aus einem Autoradio: Dieser eine Song, den du seit Jahren nicht gehört hast, aber dessen Songtext dennoch fehlerfrei über deine Lippen huscht. Egal, dass dieses Lied schon 20 Jahre alt ist. Es ist ein Hit. Wir fühlen und lieben ihn ab Sekunde eins, und das damals so wie heute.

Hast du "High School Musical: Das Musical: Die Serie" gesehen? Nein? Völlig egal. An der Hauptdarstellerin Olivia Rodrigo bist du wohl trotzdem nicht vorbeigekommen – denn auch sie und ihre Musik haben absolutes Hitpotenzial. Ihr Album sour ist gerade das Epizentrum eines popkulturellen Bebens und hat vermutlich auch deinen Spotify Account bereits fest im Griff.

Ihre erste Single "deja vu" hat schon jetzt Kultstatus und ihr neuer Song "good 4 u" hat zahllose TikToks inspiriert. Mehr als 1,6 Millionen Videos nutzen den leidenschaftlichen Break-Up-Song auf der Plattform bereits als Hintergrundsound. Kein Wunder also, dass er zuletzt auch die Spotify Playlist "" angeführt hat. Doch was genau macht "good 4 u" zu einem Song, bei dem man immer wieder auf Play drückt? Und überhaupt: Was macht einen Hit zu einem Hit?

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Bei einem sind wir uns wohl alle einig: Er muss einen eingängigen Refrain haben, der sich direkt in deinem Gehirn festsetzt und dich für die nächsten paar Stunden nicht mehr in Ruhe lässt. "Well, good for you, you look happy and healthy" – ich wette, wenn du den Song kennst, dann hast du nach den ersten drei Wörtern angefangen mitzusingen. Es würde mich auch nicht wundern, wenn du diese Zeile inbrünstig geschrien hast, denn ein weiter Hitfaktor dieses Tracks: Er ist emotional relatable und universal. Jede Person hat dabei direkt diesen einen Menschen im Kopf, für den sie diesen Song morgens um 7 Uhr in der Dusche performt.

Laut Forscher*innen der Max-Planck-Gesellschaft gibt es eine entscheidende Mischung, die uns Billboard-Hits der letzten Jahrzehnte gelehrt haben. Auditives Vergnügen und dementsprechendes Hitpotenzial entsteht dann, wenn Chords eines Songs entweder erst familiär klingen und uns dann komplett überraschen oder andersherum. Diese Theorie klingt im ersten Moment banal, kann aber einen gewaltigen Einfluss auf die Popkulturlandschaft haben. So geschehen bei "good 4 u". Olivia Rodrigos Song lädt dich zum leidenschaftlichen Mitgröhlen ein, weil er dich an einen anderen Hit erinnert: "Misery Business" von Paramore. Mit dieser musikalischen Hommage an Hayley Williams’ Band hat Olivia ein regelrechtes Revival von 2000er Pop Punk losgetreten, das sich nahtlos in das modische Comeback dieser Ära einreiht, das seit einigen Monaten stattfindet.

Wer "" hört, merkt, dass ganz bestimmte Artists seit Jahren ihren festen Platz am Hebel der Hitmaschine haben und jeder Song der Playlist den aktuellen Zeitgeist auf eine andere Art widerspiegelt. Bestes Beispiel: "Montero (Call Me By Your Name)" von Lil Nas X, welcher das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf den Punkt bringt. Ausgehungert und sehnsüchtig warten wir auf das Ende der Pandemie und damit auf die Möglichkeit, nach einer 1,5-jährigen Findungsphase endlich in unserem neuen Ich durch unsere Wohnungstür in eine freiere Welt zu schreiten. Was andere davon halten? Nicht unser Problem. Wenn Lil Nas X in den zum Teil erzkonservativen USA seine Sexualität abfeiern und dem Teufel in seinem Musikvideo einen Lapdance geben kann, dann kannst auch du zu dir stehen und dein Post-Pandemie-Leben als dein authentisches Selbst in vollen Zügen genießen.

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Manchmal hat das Potenzial eines Songs alles damit zu tun, wer ihn singt. Billie Eilish zeigt das immer wieder eindrucksvoll. Niemand hat die Popkultur der letzten Jahre so sehr bestimmt wie sie. Es ist also kein Wunder, dass ihr neuster Song "Lost Cause" ein weiterer in einer langen Liste von Hits ist. "Butter" von BTS ist ein anderes Beispiel, das zeigt, dass ein gut produzierter Song in den Händen der richtigen Fans innerhalb weniger Stunden zum internationalen Hit aufsteigen kann.

Jetzt könnte man denken, dass Ruhm ein unabdingbarer Bestandteil eines Hits ist. Doch der Gegenbeweis findet sich in derselben Spotify Playlist: "seaside_demo" von SEB. Bekannt wurde der Musiker als der Typ, der Popsongs auf TikTok ein Indie-Makeover gibt – bis einer seiner eigenen Songs viral ging. "Seaside" ist inspiriert von Harry Styles’ Sommerhymne "Watermelon Sugar" und zeigt, dass ein Hit auch immer der Anfang eines Neuen sein kann.

Es sind wahnsinnig viele Facetten, die einen modernen Hit ausmachen. Er muss überraschen, emotional und catchy sein und exemplarisch für seine Zeit stehen, damit er auch noch in 20 Jahren so ins Ohr geht wie heute. Wie großartig und divers das aussehen kann, zeigt die Playlist "".

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