Wenn eine Brauerei für den Verkauf ihres Bieres wirklich auf Brust und Vagina angewiesen ist, kann man sich fragen, wie hochwertig und schmackhaft dieses Produkt eigentlich sein kann. Man könnte #metoo vermutlich auf ziemlich alle Lebensbereiche und Berufsgruppen anwenden. Macht man gerade ja auch. (Leider nur) beinah amüsant mutet dabei an, dass jede Branche schockiert zu sein scheint, dass „wir" Designer, „wir" Architekten oder „wir" Freiberufler jetzt auch ein Sexismus-Problem haben. Erstens hängt sich Sexismus nicht an einzelne Berufsgruppen, sondern an Hierarchien und Macht. Zweitens verhält es sich mit der „jetzt auch"-Verwunderung etwa wie mit der Tatsache, dass in Japan auch Whisky produziert wird. Seit hunderten von Jahren. Noch viel länger hingegen, existiert Sexismus; seine Formen passen sich der industriellen und zeitgeistigen Verfassung der verschiedenen Kulturen an und so kommt es, dass im Jahr 2017 Bierdosen und -flaschen mit abgebildeten Brüsten im Regal stehen. Bier ist schön, Brüste sind schön, passt doch ganz gut, so könnte man meinen.
Leider wissen wir alle, dass dem so einfach nicht ist, das Gros der Brauerschaft zudem noch immer männlich ist und dies nicht mit dem Ziel geschieht, eine Ode an die Schönheit der weiblichen Natur ästhetisch aufzuarbeiten. Das wird schon allein am Niveau der jeweiligen Umsetzung deutlich. Da wäre zum Beispiel das Leg Spreader; und hier ist man beinah versucht, den Namensgeber ein Bundesverdienstkreuz für kulturelles Erbe zu verleihen - vor bestürzter Bewunderung. Kommt aber aus Indiana, dort gibt es das nicht. Wir müssen uns also von Ferne beeindruckt zeigen und möchten uns dem Label einmal präziser widmen.
Gezeigt wird also eine die Beine gespreizte Dame mit nackten Schenkeln, und ein lila farbenes Ewas „bedeckt" den Oberkörper der lasziv dreinblickenden Highheels-Trägerin bis zum Nippel. Von den Körperproportionen wollen wir erst gar nicht sprechen. Die Vagina der Dame wird von dem Schriftzug „Route 2 Brews" bedeckt. Welcher ausgebildete Designer bemalt ein Bierlabel mit einer nackten, sich notdürftig anbietenden Frau und schildert ihre Scham mit „Rein ins Gebräu" aus? Einerseits wundert man sich über nicht mehr viel. Andererseits: habt ihr sie noch alle? Man nennt ein Bier auch nicht „Naughty Girl" und bildet darauf eine beinah barbusige Meerjungfrau ab, die sich am Glasrand räkelt. In der formalen Aussage zwar völlig sinnfrei, transportiert diese Bild-Textkombination doch - und ich bin dieser Erklärungen so müde - einen intuitiven Zusammenhang zwischen der stets zu habenden Frau die, immer-lustvoll und in sexuellem Notstand auf den sie erlösenden Mann wartet. Aller Wahrscheinlichkeit sogar just auf den Besitzer des besagten Bieres. Zur Erklärung: der Fakt, dass Bier ein alkoholisches Getränk ist, macht die Sache eher problematischer. Zur Erklärung der Erklärung: Themen wie diese führen zu einer Verunsicherung weiblicherseits, wo überhaupt beginnen damit.
Ganz ehrlich, das ist grenzdebile und höchst machistische Narzismuskultur par excellence, die eigentlich psychischer Behandlung bedarf. Einem Hamster Hegels „Phänomenologie des Geistes" nahezubringen scheint bei diesen Bildern erfolgsversprechender als die Genesung jener „Kreativköpfe".
Und das sind ja, verdammt nochmal, nur die Spitzen des Eisbergs. Die, die man eben sieht, weil wir immerhin diese Ausdrücklichkeit des Sexismus noch nicht gewohnt sind. Über all die Aberhunderte von Bieren, deren Label eine maßlos übertrieben vollbusige Frau mit einem Minimum an Kleidung ziert, sprechen wir schon gar nicht mehr. Einige der Coney Island Biere, die „Sexual Chocolate" (nackte Schwarze), „The Vixen" (Nackte mit Rose im Mund), „Kassik´s" (Nackte im Bierglas), „Sex and Candy" (Intimbereich mit Strumpfhalter), „Hoppy Ending" (Masseuse) oder „Barley Legal" (Schulmädchen) und unzählige andere, zumeist US-amerikanische Biere sind zwar expliziter als das, was wir europaweit kennen. Und doch - wer sich an die „Harald"-säuselnde Französin aus dem Schöfferhofer-Spot erinnert, weiß, dass auch hierzulande ungern auf Frauen in der Bierwerbung verzichtet wird.
Klar, ist provokativ und Provokationen wecken Medien, die durch ein paar Schlagzeilen kleinen Brands zum großen Namen verhelfen. Wer dafür auf jedwede Form von kreativem Anspruch, auf auch den letzten Funken Kulturreflexion und auf Professionalität verzichten will - bitte. Hitler und Brüste gehen immer, wie jeder weiß, der sich schon einmal mit dem Phänomen Regenbogenpresse beschäftigt hat. Dabei klingt ein Regenbogen noch so schön - „Raging Bitch" hingegen weniger. Man könnte es beinah bedauerlich finden, eine reversierte Analogie nicht ziehen zu können - schließlich sind Männer nicht in dieser Form in einer von sexualisierten Machtgefällen geprägten Arbeits- und Alltagswelt aufgewachsen; zumindest nicht zu deren Nachteil! So unmöglich es daher auch ist, die „Überlegt doch mal, wie es für euch wäre"-Karte zu spielen - die Betroffenen mögen sich an entsprechender Stelle bitte etwas anderes ausdenken. So ein Busen neben einem Bier ist inzwischen auch eine wirklich abgestandene Ikonographie. Ein simples Phallus-Etikett? Ein barer Männerhintern mit Aktenkoffer? Vorschlag: ein „Naughty and Needy"-IPA mit einer nackten, traurig sich selbst umarmenden Karikatur eines Einhorns mit männlichem Duck Face, das sein Genital ins Bierglas hängt. Köstlich, nicht? Die maskulinen Malzexperten könnten dann einfach einmal überlegen, wie sich das anfühlt und, nicht weniger abenteuerlich, abwarten, wie gut sich dieses Bier verkauft.
Sexismus findet in alle Richtungen statt und er ist nicht spiegelbar. Mitzudenken wäre daher ein erster Schritt, koste er noch so viel Transferleistung. Tut er aber meistes gar nicht. Viel Erfolg, so oder so.
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